Bezirkskrankenhaus Kaufbeuren: Alle Therapien unter einem Dach

28. Juli 2021: Seit Mai ist der Bereich der Komplementärtherapien der Forensischen Klinik Kaufbeuren vollständig in Betrieb. Dazu wurde das CS-Gebäude mit einem Investitionsaufwand von 2,1 Millionen Euro saniert und umgebaut.
CS-Bau in Kaufbeuren

Der CS-Bau wurde im Inneren komplett saniert und umgebaut: Der Flachbau (vorne) befindet sich nahe des Haupteingangs der Forensischen Klinik (im Hintergrund).

Die Therapieabteilung hat innerhalb der Klinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie am Bezirkskrankenhaus (BKH) Kaufbeuren eine große Bedeutung. Seit Jahresbeginn 2020 ist der Bereich aufwendig saniert und umgebaut worden. Dafür haben die Bezirkskliniken Schwaben 2,1 Millionen Euro investiert. Das Bauvorhaben wurde vom Freistaat Bayern als Verantwortlicher des Maßregelvollzugs zu hundert Prozent gefördert. Seit Mai 2021 ist die Abteilung, die sich im Erdgeschoss des sogenannten CS-Baus unmittelbar neben dem Haupteingang der Forensik befindet, in Betrieb. Sie nennt sich nun nicht mehr ergotherapeutische Abteilung, sondern Komplementärtherapien. Dort sind die Ergo-, Musik, Sport-, Kunst- und tiergestützte Therapie zusammengefasst. Auch eine kleine Schule ist hier zu finden.

Die Klinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie ist die größte Einzelklinik innerhalb des BKH Kaufbeuren. Sie umfasst 218 Betten. Dort sind Menschen untergebracht, die aufgrund ihrer psychischen Erkrankung oder Intelligenzminderung mit dem Gesetz in Konflikt geraten sind. Sie sind im Maßregelvollzug, weil sie nach Ansicht eines Gerichts eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit oder der verminderten Schuldfähigkeit begangen haben. Sehr viele Patienten (an dieser Stelle muss nicht gegendert werden, weil es sich ausschließlich um Männer  handelt) leiden unter einer Suchterkrankung. Sie sind eher jünger; ansonsten ist hier die gesamte Bandbreite von 20 bis 80 Jahren zu finden. Alle, die kommen, wurden von Gerichten zugewiesen und werden von Gerichten auch wieder entlassen. Die Patienten unterstehen der Kontrolle durch die Justiz. Die Bezirkskliniken Schwaben sind im Maßregelvollzug im Auftrag des Freistaates Bayern tätig, der ihr diese übertragen hat.

Drei Abteilungen mit insgesamt neun Stationen gibt es, informiert Ärztlicher Direktor Norbert Ormanns: zwei, in denen jeweils suchtkranke Straftäter entsprechend den Maßregeln der Besserung und Sicherung untergebracht sind, und eine für Menschen mit anderen psychischen Erkrankungen. Innerhalb jeder Abteilung gibt es zwei geschlossene und einen offenen Bereich. Je nach Therapieerfolg werden Lockerungsstufen festgelegt.

Wer also hier untergebracht ist, der ist nicht freiwillig hier. Und gerne seien es gerade am Anfang der Therapie die  wenigstens, sagte Andrea Grygorowicz, die Leiterin der Komplementärtherapien, vor Jahresfrist bei einem Ministerinnenbesuch in Kaufbeuren. „Deshalb machen wir uns Gedanken, wo wir jeden einzelnen Patienten unterstützen, wo wir ihn abholen können.“ Denn die Forensik ist keine Justizvollzugsanstalt, sondern ein Krankenhaus. Gemeinsam wird ein Therapieplan für jeden Einzelnen erarbeitet.

Künftig wird es noch leichter möglich sein, auf die Individualität der Patienten, ihre jeweilige Perspektive und persönlichen Fortschritte in der Therapie eingehen zu können. „Wir sind nun mit dem gesamten Team an einem Ort vereint und können noch enger und berufsübergreifender zusammenarbeiten“, sagt Christian Hunzelmann, der stellvertretende Leiter der Komplementärtherapien. Mit der Inbetriebnahme des Erweiterungsbaus des C-Gebäudes, in dem die Forensik untergebracht ist, begannen die Bezirksklinken mit dem Umbau des CS-Baus. In dem geschlossenen Flachbau wurden nach Auskunft des stellvertretenden Leiter des Service-Centers Bau, Raphael Ziegler, der Brandschutz verbessert, die Sicherheitstechnik auf den neuesten Stand gebracht, Toiletten und Böden modernisiert und die Wände neu gestrichen.

Auf 875 Quadratmetern verfügt nun jeder Therapiebereich über mindestens einen eigenen Raum. Im Rahmen der Musiktherapie gibt es ein Musikband-Projekt, die hier probt. Die Ergotherapie – traditionell der größte Bereich innerhalb der forensischen Therapieabteilung – umfasst vier Sparten: den konstruktiv-strukturierenden Bereich, das textile Gestalten, die Holzwerkstatt und den Bereich „Ton, Beton, Speckstein“. Überall werden sowohl Einzel- als auch Gruppentherapien angeboten. „Wir sind alle sehr zufrieden, wie das hier geworden ist. Die Rückmeldungen sind  durchwegs positiv“, beschreibt Hunzelmann die Resonanz unter den 28 Mitarbeitenden im Team. Das Konzept der Komplementärtherapien sei räumlich abgebildet worden. Die Sporttherapie verfügt über eine eigene Halle, die sich jedoch in einem anderen Gebäudeteil befindet. „Wir haben kein Raucherzimmer mehr, was von den Patienten gut angenommen wird“, verrät er.

Man tausche sich täglich aus und stehe mit den zuständigen Ärztinnen und Ärzten bzw. Psychologinnen und Psychologen der Klinik in ständigem Kontakt, informiert der 47-jährige Musiktherapeut, der seit 20 Jahren im Maßregelvollzug arbeitet, davon seit 2012 in Kaufbeuren. Der forensischen Klinik Kaufbeuren werden immer mal wieder Patienten zugewiesen, die kein oder nur schlecht Deutsch sprechen. Deshalb wurden zwei externe Lehrkräfte angestellt, die innerhalb der Klinik Deutschkurse anbieten. Die Patienten können hier zur Schule gehen und diese mit einem Mittelschul- oder Qualifizierenden Hauptschulabschluss abschließen.

Wie Lehrer Dastan Jartayev berichtet, kommt zu den bestehenden Schulangeboten und dem Deutschkurs noch die  integrative Lerntherapie hinzu, wo Schüler mit dem sonderpädagogischen Bedarf nach den Testverfahren mit dem individuellen Förderplan unterrichtet werden. „Es kommen vermehrt Patienten mit den Lernstörungen wie Legasthenie, Dyskalkulie (Rechenschwäche; d. Red.) und funktionalem Analphabetismus, was die Therapie viel schwerer macht“, so Jartayev. Durch das berufsbegleitende Studium der integrativen Lerntherapie in Schwäbisch-Gmünd habe er die Möglichkeit, diese Schüler fachkompetent zu fördern und sie zum langersehnten Schulabschluss zu begleiten.