Kommt ein Pferd zu Besuch…

23. August 2023: Die Gerontostationen des BKH Kaufbeuren bieten tiergestützte Therapie mit einem Haflinger-Wallach an. Die Premiere mit „Lucky“ verläuft positiv.
Aurora Piredda (von links), Ralf Maubach (im Hintergrund), Pflegefachkraft und Pferdebesitzerin Anne Kuffer (kniend) sowie Oberarzt Dr. Stefan Brai führen Pferd Lucky langsam an eine Patientin heran. Foto: Georg Schalk, Bezirkskliniken Schwaben (1)

Behutsam führt Anne Kuffer den Kopf ihres Pferdes Richtung Hand der bettlägerigen Patientin. Als die Frau die Schnauze des Haflinger-Wallachs kurz berührt und seinen warmen Atem spürt, huscht ihr ein Lächeln übers Gesicht. So ähnlich geht es an diesem Nachmittag mehreren Patientinnen und Patienten der Station GP01 am Bezirkskrankenhaus (BKH) Kaufbeuren, einer gerontopsychiatrischen Akutstation. Zum ersten Mal treffen sie hier im Garten der Gerontostationen auf ein ausgewachsenes Pferd. Es heißt Lucky. „So eine Begegnung mit einem Tier ist für viele eine andere Art der Wahrnehmung. Sie hat etwas Beruhigendes“, sagt Oberarzt Dr. Stefan Brai.

Anne Kuffer arbeitet hier auf der GP01 als Pflegefachkraft. Die 27-jährige Obergünzburgerin absolviert gerade eine Ausbildung zur Reittherapeutin. „Ich habe schon seit 20 Jahren Kontakt mit Pferden. Mit Lucky war ich schon im Altersheim, das hat gut geklappt. Er ist sehr brav“, berichtet sie. Als Anne Kuffer ihre Kollegen von ihrer Idee berichtete, im BKH eine tiergestützte Therapie mit einem Pferd anzubieten, waren diese gleich Feuer und Flamme. Nach interner Rücksprache und Genehmigung durch die Vorgesetzten wurde aus der Idee Wirklichkeit. Vor kurzem transportierten die Pflegefachkraft und ihr Vater Ralf Maubach den 18 Jahre alten Wallach im Hänger von Obergünzburg nach Kaufbeuren. Dort im Garten der Gerontostationen bereitete man alles auf eine Begegnung mit den Patientinnen und Patienten vor.

Die beiden Stationen verfügen über 36 stationäre Betten. Davon hat die GP01 mit 14 ein paar weniger als die GP02, weil der Pflegebedarf der Patienten dort größer ist. „Wir behandeln hier Menschen nicht nur mit psychischen Erkrankungen, sondern auch mit kognitiven Einschränkungen und/oder körperlichen Gebrechlichkeit“, berichtet Dr. Brai. Manche Frauen und Männer sind nahezu blind oder taub, andere schwer dement oder im Delir, also im Zustand akuter Verwirrtheit. Der Mediziner nennt es multimorbide, was das gleichzeitige Bestehen mehrerer Krankheiten beschreibt.

Das Fachpersonal weiß, dass eine tiergestützte Therapie mit einem Pferd nicht für jeden Patienten geeignet ist. „Immerhin handelt es sich dabei um ein großes, lebendiges, 480 Kilogramm schweres Wesen“, weiß Anne Kuffer. Aber diejenigen, die keine Angst hatten, reagierten sehr positiv, so der Eindruck. „Das Fell des Tieres zu streicheln, die Haare zu fühlen und seine Schnauze zu berühren, das ist für einige eine ganz neue Form der Wahrnehmung und spricht bestimmte Sinne an, die bei ihnen sonst nicht nutzbar sind“, so Dr. Brai.
Ein „alter Hase“ im Team ist Peter Langer. Der Pflegedienstleiter arbeitet seit 47 Jahren am BKH Kaufbeuren. „Katzen und Hunde ja, aber diese Art der tiergestützte Therapie ist für mich auch Neuland“, sagt er. Langer kann sich noch genau daran erinnern, als es am BKH Hirsche, Ponys und eine Stationskatze gab. „Alle Wege, die Zugang zu den Patienten finden, sind hilfreich für unsere Arbeit“, stellt der erfahrene Mitarbeiter fest. Dank der Tiere würden viele der hilfs- und behandlungsbedürftigen Menschen ruhiger; sie reagierten positiv. Trotz der schweren Krankheitsbilder, die eine komplexe Behandlung notwendig machen, sei es bei jedem Einzelnen das Ziel, ihn auf einem bestimmten gesundheitlichen Niveau zu stabilisieren und ihn bestenfalls ins häusliche Umfeld zu entlassen.

Dazu trägt auch der Kneipp-Gehpfad bei, der im Garten der Gerontostationen neu angelegt worden ist. Barfuß können die einzelnen Felder, die mit Kieselsteine, Tannenzapfen oder Moosboden befüllt sind, durchschritten werden. „Im Barfußpfad wollen wir die Koordinationsfähigkeit der Patienten trainieren und den Muskelabbau verhindern, damit sie weniger leicht stürzen und sich verletzen“, erläutert Dr. Brai. Der Vorteil des Gehpfades: Er ist jeden Tag verfügbar.

„Lucky“ dagegen kommt vorerst nur einmal im Monat. „Für ihn sind das Verladen werden, Hängerfahren und die Kontakte mit den Menschen auch aufregend“, erzählt sein „Frauchen“ Anne Kuffer. Weil die Premiere geglückt ist, soll der Wallach nun regelmäßig im BKH zu Besuch kommen.