Aktionsfeld A: Arbeit und Beschäftigung
Artikel 27 „Arbeit und Beschäftigung“
Arbeit hat einen zentralen Stellenwert in unserer Gesellschaft. In erster Linie dient sie der Sicherung des Lebensunterhaltes und beeinflusst damit stark die Möglichkeiten, das Leben selbstbestimmt zu gestalten. Darüber hinaus vermittelt sie soziale Zugehörigkeit, bietet Struktur und ermöglicht gesellschaftliche Anerkennung. Nicht zuletzt stiftet sie Sinn im Leben eines Menschen und trägt zur persönlichen Entwicklung bei.
Arbeit hat auch eine menschenrechtliche Dimension. Der Artikel 27 der UN-BRK beschreibt das Recht von Menschen mit Behinderung auf Arbeit. Sie sollen die gleichen Möglichkeiten haben, ihren Lebensunterhalt durch eine frei gewählte Arbeit zu verdienen - in einem inklusiven und für alle Menschen mit Behinderungen zugänglichen Arbeitsmarkt. Mit der Unterzeichnung der UN-BRK verpflichtete sich Deutschland, einen inklusiven Arbeitsmarkt zu fördern, der bezüglich Ausbildung, Einstellungs- und Arbeitsbedingungen, Aufstiegsmöglichkeiten, Fort- und Weiterbildung sowie der Wahrnehmung der Arbeitnehmerrechte gleichberechtigte Chancen ermöglicht. Um den Ansprüchen des Artikels 27 der UN-BRK gerecht zu werden, ist ein erweiterter Arbeitsbegriff notwendig. Der ökonomisch-arbeitsrechtliche Begriff der Erwerbsarbeit als gleichwertiger Austausch von Lohn und Leistung kann den Forderungen nach gleichberechtigter Teilhabe am Arbeitsleben nicht voll gerecht werden. Deshalb muss sich der Arbeitsbegriff nicht nur durch das wirtschaftlich verwertbare Leistungsprinzip definieren, sondern die menschenrechtliche Perspektive einbeziehen.
Der Gesetzgeber hat einige Initiativen, Programme und gesetzliche Weichenstellungen auf den Weg gebracht, um den Anforderungen an einen inklusiven Arbeitsmarkt gerecht zu werden. So werden für die Arbeitssuche, die Aufnahme einer Tätigkeit sowie den Erhalt des Arbeitsplatzes eine Vielzahl an Unterstützungsmöglichkeiten von der Bundesagentur für Arbeit, den Rentenversicherungsträgern oder vom Integrationsamt angeboten. Speziell für Menschen mit dauerhaft voller Erwerbsminderung hat der Gesetzgeber verschiedene Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben sowie zur Förderung des Übergangs auf den allgemeinen Arbeitsmarkt in die Wege geleitet. Es gibt neben den Werkstätten für behinderte Menschen zum Beispiel auch Förderungen für Inklusionsfirmen, Zuverdienstprojekte und speziell in Bayern die Maßnahme „Begleiteter Übergang aus der Werkstatt auf den allgemeinen Arbeitsmarkt“ (BÜWA). Mit der Einführung von „anderen Leistungsanbietern“ sowie dem „Budget für Arbeit“ und dem „Budget für Ausbildung“ im Rahmen der BTHG-Reform wurden diese Teilhabeleistungen erweitert. Dadurch sollen Alternativen zur Beschäftigung in einer Werkstatt für behinderte Menschen geschaffen werden, mit denen dem Wunsch- und Wahlrecht besser entsprochen werden kann.
Trotz erzielter Fortschritte, die sich beispielsweise an der in den letzten Jahren (zwischen 2009 und 2017) gestiegenen Erwerbstätigkeit von Personen mit Behinderung zeigt, bleiben diese auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt stark benachteiligt. So sind sie laut Drittem Teilhabebericht der Bundesregierung häufiger von Arbeitslosigkeit betroffen oder die Arbeitssuche dauert deutlich länger als bei Personen ohne Behinderungsgrad. Zudem moniert der Fachausschuss zur UN-BRK die ausbleibenden Erfolge beim Übergang von Beschäftigten einer Werkstatt für behinderte Menschen in den allgemeinen Arbeitsmarkt. Trotz staatlicher Fördermaßnahmen gelingt vielen Menschen mit Behinderung der Wechsel nicht – weder nach dem Abschluss der (Förder-)Schule noch im späteren Lebensverlauf. Sie verbleiben in vorgezeichneten Berufswegen, die sich hauptsächlich in Berufsbildungswerken und in Werkstätten für behinderte Menschen bewegen.
Die Hemmnisse, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, sind sehr vielschichtig und unterschiedlich. Ein Grund ist die geringe Bereitschaft der Arbeitgeber/-innen, Menschen mit Behinderung einzustellen. Dies liegt an Vorbehalten gegenüber der Leistungsfähigkeit von Menschen mit Behinderung, an fehlenden Kenntnissen über Förder- und Unterstützungsmöglichkeiten der Unternehmen, an starren Organisationsstrukturen und einem nicht ausreichend barrierefreien Arbeitsumfeld. Häufig wird die positive Auswirkung, die die Einstellung von Menschen mit Behinderung auf das Betriebsklima haben kann, von Arbeitgebern/-innen unterschätzt.
Es bedarf deswegen stetiger Sensibilisierungs- und Aufklärungsarbeit. Gemeinsam mit Selbst- und Interessensvertretungen, Wohlfahrtsverbänden, Kammern, Innungen und Behörden gibt es auf nationaler, Landes- und kommunaler Ebene zahlreiche Bemühungen und Projekte, die zur Bewusstseinsbildung der Öffentlichkeit und speziell der Arbeitgeber/-innen beitragen. So wurde zu Beginn des Jahres 2022 die einheitliche Ansprechstelle für Arbeitgeber (EAA) installiert, die die Arbeitgeber/-innen bei der Einstellung von Menschen mit Behinderung umfassend berät und unterstützt.
Ein weiteres Hindernis, ein Beschäftigungsverhältnis auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu finden, ist die nicht ausreichende Berufsausbildung bzw. fehlende formale Qualifikation von Menschen mit Behinderung. Hier bedarf es größerer Anstrengungen, um ein inklusives Ausbildungswesen voranzubringen. Außerdem sollten Beschäftigte in Werkstätten, bei alternativen Leistungsanbietern, in Inklusionsfirmen oder ähnlichem vermehrt die Möglichkeit haben, durch niederschwellige Qualifizierungen berufliche, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verwertbare, Kompetenzen zu erwerben. Hierzu bedarf es Kooperationen mit den regionalen Kammern und Innungen, um solche Kompetenzmodule zu zertifizieren.
Dem Bezirk Schwaben ist es ein wesentliches Anliegen, einen Beitrag zur Umsetzung des Artikels 27 der UN-BRK Arbeit und Beschäftigung zu leisten. Dieser Anspruch betrifft ihn in zweifacher Weise: einmal als Arbeitgeber im öffentlichen Sektor und einmal als Leistungsträger der Eingliederungshilfe.
Als Träger der Eingliederungshilfe ist der Bezirk Schwaben im Rahmen der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach dem SGB IX für Personen zuständig, die aufgrund der Art und Schwere ihrer Behinderung nicht, noch nicht oder noch nicht wieder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt oder in Inklusionsbetrieben tätig sein können, aber nach entsprechender beruflicher Bildung ein Mindestmaß an wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung erbringen können. In diesem Zusammenhang ist es dem Bezirk Schwaben wichtig, durch direkte und indirekte Maßnahmen den Ausbau von alternativen Beschäftigungsmöglichkeiten zu fördern. Er gründete dazu eine Arbeitsgruppe bestehend aus Vertreter/-innen der Politik, Mitarbeitenden der Verwaltung sowie Vertretungen der Wohlfahrtsverbände. Diese hat verschiedene Ideen und Maßnahmen entwickelt, die der Bezirk nun schrittweise angehen will.
Die Werkstätten für behinderte Menschen haben eine große Bedeutung für die Beschäftigung von Menschen mit Behinderung. Vor dem Hintergrund der UN-BRK und dem BTHG sind die Werkstätten aufgefordert, ihre Leistungen personenzentrierter und binnendifferenzierter anzubieten. Zudem sollen sie sich verstärkt darum bemühen, ihre Beschäftigten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu integrieren. Der Bezirk Schwaben möchte die Werkstätten für behinderte Menschen bei dieser Weiterentwicklung unterstützen.
Nicht zuletzt nimmt der Bezirk Schwaben als Arbeitgeber eine Vorbildfunktion im Bereich Inklusion ein. Er ist sich als inklusiver Arbeitgeber des Werts einer vielfältigen Belegschaft bewusst und hat die Werte Vielfalt und Inklusion fest in seinem Leitbild verankert. Deswegen möchte er eine Reihe von Maßnahmen und Projekten anstoßen, die u. a. Mitarbeiter/-innen mit einer Schwerbehinderung stärken.
Nr. | Maßnahme | Federführende Steuerung | Beteiligung | Zeitrahmen |
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A1 | Überarbeitung der Richtlinie zur Förderung der Inklusionsbetriebe (Verbesserung der Förderbedingungen). | Sachgebiet Kompetenzzentrum Sozialpsychiatrie | Gesundheits- und Sozialausschuss | Ab 2022 |
A2 | Überarbeitung der Richtlinie zur Förderung der Zuverdienst-Projekte (Verbesserung der Förderbedingungen). | Sachgebiet Kompetenzzentrum Sozialpsychiatrie | Gesundheits- und Sozialausschuss | Ab 2022 |
A3 | In entsprechenden Gremien und Ausschüssen der Politik und der Verwaltung rechtliche Änderungen bei den gesetzlichen Regelungen zum Budget für Arbeit anregen. | Sozialverwaltung, Bezirksräte/-innen | 2023 | |
A4 | Bearbeitungsprozesse beim Budget für Arbeit in Zusammenarbeit mit anderen Reha-Trägern und dem ZBFS (Zentrum Bayern für Familie und Soziales) verbessern. | Sozialverwaltung | Laufend | |
A5 | Öffentlichkeitsarbeit verstärken, gezielt auf Kammern und andere Reha-Träger zugehen und an Fachveranstaltungen mitwirken. | Stabsstelle Soziale Projekte | Sozialverwaltung | Laufend |
A6 | Bekanntmachung des neuen Modells „Budget für Ausbildung“ für Beschäftigte im Arbeitsbereich, z. B. auf Webseite, Flyern etc. | Stabsstelle Soziale Projekte | Sozialverwaltung | Ab 2023 |
A7 | Weitere Bemühungen andere Leistungsanbieter für den Arbeitsbereich in Schwaben zu gewinnen. | Sozialverwaltung | Laufend | |
A8 | Netzwerkarbeit und -pflege mit anderen wichtigen Akteuren in der Region z. B. durch Mitarbeit an Arbeitstischen und Gremien. | Sozialverwaltung, Beauftragter für Behinderung und Inklusion (Politik) | Bezirksrätinnen und Bezirksräte | Laufend |
Nr. | Maßnahme | Federführende Steuerung | Beteiligung | Zeitrahmen |
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A9 | Fortführung des Akquisezuschlags für Außenarbeitsplätze mit Neuerhebung der Schwäbischen Quote (Stand 2021: 3,4 Prozent). | Stabsstelle Soziale Projekte | Sachgebiet Pflegesatz, Gesundheits- und Sozialausschuss | 2022 |
A10 | Impulse setzen zur Weiterqualifizierung der Beschäftigten innerhalb der Werkstätten für behinderte Menschen (z. B. durch Zertifikatslehrgänge). | Beauftragter für Behinderung und Inklusion (Politik), Stabsstelle Soziale Projekte | Ab 2023 |
Nr. | Maßnahme | Federführende Steuerung | Beteiligung | Zeitrahmen |
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A11 | Schaffung von Arbeitsplätzen für Menschen mit Behinderung, welche in bestimmten Tätigkeitsbereichen erwerbsgemindert sind, beispielsweise: Büropraktiker/-in Leichte Sprache, betriebliche Genesungsbegleiter/-in und Mitarbeiter/-in im Betriebsrestaurant | Stabsstelle Soziale Projekte | Bezirkshauptverwaltung | Laufend |
A12 | Aufbau eines inklusiven, barrierefreien Betriebsrestaurants in Kooperation mit einem sozialen Träger. | Stabsstelle Soziale Projekte, Abteilung Bau, Umwelt und Energie | Bezirkshauptverwaltung | Ab 2021 |
A13 | Weiterentwicklung des betrieblichen Eingliederungsmanagements unter Einbindung der Schwerbehindertenvertretung. | Sachgebiet Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit, Gesundheitsschutz | Schwerbehindertenvertretung, Personalrat, Personalstelle | Ab 2022 |
A14 | Entwicklung gezielter Präventionsmaßnahmen zur psychischen Gesundheit. | Sachgebiet Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit, Gesundheitsschutz | Ab 2022 | |
A15 | Aktualisierung der betrieblichen Inklusionsvereinbarung und Anerkennung der bayerischen Inklusionsrichtlinien. | Schwerbehindertenvertretung | Personalstelle, Direktor der Bezirksverwaltung | 2022 |
A16 | Kontinuierliche Beibehaltung bzw. weiterer Ausbau der guten Beschäftigungsquote von Mitarbeiter/innen mit einem Schwerbehindertenstatus. | Personalstelle | Schwerbehindertenvertretung | Laufend |
Nr. | Maßnahme | Federführende Steuerung | Beteiligung | Zeitrahmen |
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A17 | Unterzeichnung der „Charta der Vielfalt“ | Stabsstelle Soziale Projekte | Ab 2024 | |
A18 | Die Werte Inklusion und Vielfalt des Leitbildes mit Leben füllen. | Bezirkshauptverwaltung | Führungskräfte | Laufend |
A19 | Berücksichtigung der Vielfaltsperspektive bei der Personalentwicklung und -gewinnung. | Stabsstelle Personalentwicklung | Personalstelle | Laufend |
A20 | Verankerung von Diversitäts- und Vielfaltsthemen in (Nachwuchs-)Führungskräfte-Schulungen. | Stabsstelle Personalentwicklung | Stabsstelle Soziale Projekte, Personalverwaltung | Ab 2023 |