Auch als Künstler ist man oft Grenzgänger - Monika Schultes wird Ende Oktober in den Ruhestand gehen. Die 64-Jährige hat die Kunsttherapie am Bezirkskrankenhaus Augsburg geprägt.

02. September 2019: Kunsttherapie wird im Bezirkskrankenhaus (BKH) Augsburg seit 1995 angeboten. Sie ist neben den anderen komplementären Therapieformen ein fester Bestandteil des Behandlungsangebotes für psychisch kranke Menschen ab 18 Jahren. Seit fast zwei Jahrzehnten ist die Kunsttherapie am BKH fest mit dem Namen Monika Schultes verbunden. Die gebürtige Augsburgerin ist auch Bildende Künstlerin und hat schon eine Reihe von renommierten Kunstpreisen gewonnen. Ende Oktober wird die 64-Jährige (Markenzeichen: rotfarbener Lockenkopf) in den Ruhestand gehen.
Monika Schultes hat die Kunsttherapie am Bezirkskrankenhaus Augsburg geprägt.

Die 64-Jährige wird Ende Oktober in den Ruhestand gehen.

In der Klinik betreut Monika Schultes vor allem Menschen mit Borderline-Störungen und Schizophrenie-Erkrankte, eine Kriseninterventionsstation und tagklinische Patienten. Außerdem bietet sie ein stationsübergreifendes „Offenes Atelier“ an. „In der Kunsttherapie geht es weniger ums Bewerten als vielmehr um den Prozess. Und in jedem Bild steckt ganz viel, das dem Patienten hilft, neue Handlungsmöglichkeiten und Ressourcen für sein Leben zu entdecken“, erläutert die Künstlerin. Sieben Gruppen pro Woche sind es, die sie leitet. „Ich habe mal grob gerechnet: In den knapp 20 Jahren dürften es etwa 30.000 Bilder gewesen sein, die ich betreut habe“, berichtet Monika Schultes. Patienten mit psychischen Erkrankungen drücken sich in Bildern aus. „Dann können sie in den Dialog mit sich, ihrer Gruppe und ihren Bildern treten. Das kann ein Weg aus der Isolation sein“, so die Kunsttherapeutin.

Monika Schultes ist selbst eine sehr kreative, engagierte und vielseitig bewandte Künstlerin. Auf ihrer Homepage beschreibt sie der 2005 verstorbene Kunstwissenschaftler Prof. Lothar Romain so: „Monika Schultes schafft sich malend ein Bild der eigenen Existenz. Körper zu Körper, die möglichen Verhältnisse und merkwürdigen sichtbaren und unsichtbaren Bindungen bzw. Abgrenzungen zu- und voneinander, die Macht der Emotion; das alles umkreist ihre Malerei, ohne im inhaltlichen Sinne zu Ergebnissen zu kommen. Nicht die Botschaft ist das Ziel, sondern die Bedingungen, unter denen Botschaften sich vielleicht einmal formulieren könnten.“

Die Augsburgerin lebte lange in München und studierte dort Malerei und Grafik an der Akademie der Bildenden Künste. Dieses schloss sie 1995 mit dem Diplom ab. Gleiches war ihr bereits 17 Jahre zuvor am Ende eines Textil-Design-Studiums an der Fachhochschule für Gestaltung in Augsburg gelungen. Dazwischen lagen unter anderem Auslandsaufenthalte in Mexiko, den USA und Kanada. Von 1996 bis 1999 folgte ein Aufbaustudium „Bildnerisches Gestalten und Therapie“, ebenfalls an der Akademie der Bildenden Kunst in München. Im Jahr 2001 kehrte sie nach Augsburg zurück und arbeitete stundenweise am BKH. Ein Jahr später wurde sie dort fest angestellt.

„Mein Interesse an der Kunsttherapie und der Psychiatrie war schon immer groß.“ In vielen Praktikumsstunden unter anderem im kbo-Klinikum München-Haar hat Monika Schultes nach eigener Aussage gelernt, wie wichtig es ist, Zugang zu Menschen in psychischen Ausnahmesituationen zu bekommen. „Als Künstler ist man in gewisser Weise auch oft Grenzgänger.“ So entwickelte sie ein großes Verständnis für Menschen mit ihren Sorgen und Nöten.

Die 64-Jährige kam viel herum in der Welt; sie erhielt Arbeits- und Künstlerstipendien, unter anderem in den USA (2011) und in Kroatien (2013). „Ortswechsel erlebe ich oft als sehr inspirierend.“ Dank eines Wohn- und Arbeitsstipendiums der Stadt Aichach wohnte sie 2000/2001 im Wasserschloss Unterwittelsbach bei Aichach, besser bekannt als „Sisi-Schloss“. 28 Jahre lang nutze sie ein großes Atelier im Alten Hauptkrankenhaus in Augsburg. Als das Gebäude den Besitzer wechselte und seitdem anders genutzt wird, musste sie es mit Bedauern aufgeben. Seit knapp zehn Jahren arbeitet sie in einer zu einem Atelier umfunktionierten, ehemaligen Backstube in Augsburg-Pfersee. „Hier kann ich nicht mehr so riesige Bilder malen. Ich muss also quasi kleinere Brötchen backen“, sagt Frau Schultes und lacht laut auf. Dieses herzerfrischende Lachen ist ein weiteres ihrer Markenzeichen.

Über ihre unzähligen Einzel- und Gruppenausstellungen, ihre vielseitigen Arbeiten, Kataloge sowie Videoproduktionen („Das bewegte Bild als Teil der Ausdrucksform.“) ließen sich Bücher schreiben. Monika Schultes ist zudem schon häufig als Laudatorin bei diversen Veranstaltungen und Vernissagen aufgetreten. Dafür wird sie in Zukunft noch mehr Zeit haben. Nach ihrem Ausscheiden Ende Oktober will sich die 64-Jährige verstärkt der Kunst widmen. Das nächste Projekt steht bereits fest: Am 22. November soll im Rathaus Gersthofen ihre Ausstellung „Anima-Animalis“ eröffnet werden. Diese entsteht in Zusammenarbeit mit der Galerie Noah im Augsburger Glaspalast.

Lange Zeit beschäftigte sie sich mit der griechisch-römischen Mythologie. Die mythologischen Themen in ihrem künstlerischen Schaffen sind inzwischen dem Schwerpunkt Mensch/Tier gewichen. Wobei der Schwerpunkt Mensch zugunsten dem des Tieres immer mehr in den Hintergrund tritt. „Womöglich liegt es daran, weil es immer mehr bedrohte Tierarten gibt“, vermutet Monika Schultes. Als Jugendliche habe sie Verhaltensforschung studieren wollen, verrät sie.

Während ihres Berufslebens sei es ihr stets wichtig gewesen, der Kunsttherapie „einen hohen Stellenwert zu vermitteln“ und die Psychiatrie „raus aus dem negativen Kontext zu führen“, so Monika Schultes. Herausragend war in diesem Zusammenhang die Präsentation der bundesweiten Ausstellung „Zeige Deine Wunde“, in der „befreiende Kunst“ von 123 Psychiatrieerfahrenen gezeigt wurde. Die Ausstellung entstand 2003 im „Europäischen Jahr der Menschen mit Behinderung“. Monika Schultes holte sie 2005 ins BKH Augsburg und in die Bezirksverwaltung an den Hafnerberg. „Die Tätigkeit in der Psychiatrie ist anstrengend. Aber ich die Arbeit hier im BKH immer sehr geschätzt“, betont die Kunsttherapeutin. „Die Patienten und ihre Bilder stehen immer im Zentrum.“