Bezirkskrankenhaus Günzburg: „Ich komme aus der Arbeit mit einem Lächeln“
Schlecht bezahlt, viele Überstunden, Schichtarbeit- und Wochenendarbeit, unattraktiv: Mit diesen Begriffen wird in breiten Teilen der Öffentlichkeit der Pflegeberuf verbunden. Stimmt das? Was sagen junge Menschen, die den Beruf ergriffen haben? Bereuen sie es? Werden sie den Job wechseln? Wir haben mit Schülerinnen und einem Schüler der Herbstklasse 2021 (H 21) der Berufsfachschule für Pflege am Bezirkskrankenhaus (BKH) Günzburg gesprochen.
Mavsuna Bobojonova (Die 27-Jährige kommt aus Tadschikistan und ist seit acht Jahren in Deutschland. Sie wohnt in Ulm.): Ich habe mich mit Pflege ursprünglich gar nicht ausgekannt. Als mein Opa bettlägerig war, konnte ihn in meinem Heimatland keiner pflegen. Es gibt auch keine Möglichkeit zur Fort- und Ausbildung dort, damit man weiß, was zu tun ist. Mein Opa hat gelitten, das tat mir sehr weh. Ich konnte ihm damals nicht helfen. So habe ich mir gesagt, wenn in Deutschland die Möglichkeit bekomme, dann mache ich die Ausbildung, sodass ich anderen Menschen helfen kann. Ich werde in der Pflege bleiben. Derzeit bin ich auf der Intensivstation der Klinik in Weißenhorn eingesetzt. Es gibt keine schönere Tätigkeit. Ich komme aus der Arbeit mit einem Lächeln. Ich weiß dann, dass ich etwas Gutes getan habe.
Ruth Heinlein (21 aus Günzburg): Ich war mir lange Zeit nicht so sicher, ob ich das kann. Ich habe dann den Bundesfreiwilligendienst in der Demenztagespflege gemacht und gemerkt, wie viel Spaß es mir macht, mit Menschen täglich zu arbeiten. Ich weiß jeden Tag, wenn ich heimkomme, was ich gemacht habe. Ich mag es richtig gerne, nicht alleine, sondern im Team zu arbeiten. Es ist super abwechslungsreich, weil man immer mit unterschiedlichen Menschen und Krankheitsbildern zu tun hat. Es wird nie langweilig. Ich finde es voll schade, dass Pflege so ein schlechtes Image hat. Aber ich habe das Gegenteil erlebt, wie es auf Station tatsächlich ist und wie viel Spaß es einem machen kann. Ich würde deswegen nie einen anderen Beruf wählen. Ich habe mich für eine Stelle in der Wachstation der Klinik für Neurochirurgie hier in Günzburg beworben.
Angeletti Marilu (Die 19-Jährige wurde in Deutschland geboren und wuchs in Italien auf. Seit 2016 ist sie wieder in Deutschland und seit gut zwei Jahren in Günzburg.): Meine Oma war wie meine Mutter Altenpflegerin, meine Tante ist Stationsleiterin in Italien. Deshalb habe ich den Pflegeberuf wohl ein bisschen in meinem Blut. Es hat mir immer gut gefallen, mit älteren Leuten und kranken Menschen zu arbeiten. Es gefällt mir sehr, mit ihnen zu reden, sie sind oft traurig. Ich merke, wie ein bisschen gute Laune ihnen etwas bringt. Man kann etwas bewirken, und man sieht es auch. Ich habe schon oft von dem schlechten Ruf des Pflegeberufs gehört, aber der ist unbegründet. Schlecht bezahlt vielleicht ja, weil wir erledigen echt viele Aufgaben. Die Annahme, wir würden nur den Hintern von Patienten putzen, stimmt nicht: Wir machen so viel mehr. Ich würde jemanden auf jeden Fall empfehlen, den Pflegeberuf zu ergreifen.
Emily Schickling (21 aus Neu-Ulm): Mit gefällt die Ausbildung extrem gut. Ich hatte am Anfang noch so ein paar Bedenken, weil ich nicht wusste, was da auf mich zukommt. Aber mittlerweile bin ich so mittendrin, mir gefällt es richtig gut. Mir gefällt, mit den verschiedenen Patienten zu kommunizieren. Ich sehe die gesamte Gesellschaft, alle Altersgruppen sind vertreten. Ich habe so viel Abwechslung jeden Tag, auch mit meinen Kollegen. Man muss für diesen Beruf Menschenfreund sein. Ich würde ihn auf jeden Fall weiterempfehlen. Ich bleibe dabei und möchte in der Chirurgie arbeiten. Wenn ich da ein paar Jahre gearbeitet habe, möchte ich was mit Kinderkrankenpflege machen. Schicht- und Nachtdienst machen mir nichts mehr aus, da habe ich mich mittlerweile daran gewöhnt. An der Bezahlung könnte man noch ein bisschen was ändern, aber ich finde es nicht so dramatisch. So schlecht bezahlt ist das Ganze nicht.
Stefan Hammer (32 aus Ichenhausen): Mich fasziniert der Umgang mit den Menschen. Die Lebensgeschichten sind meistens ziemlich spannend. Ich war früher erst Feinwerkmechaniker, dann Maschinenbautechniker – aber mein jetziger Beruf ist abwechslungsreicher. Ich habe mir immer schon überlegt, ob ich Heilerziehungs- oder Krankenpfleger machen soll. Den Anstoß gab, dass die Krankenpflege vielseitiger ist, man braucht kein Vorbereitungsjahr und hat den medizinischen Aspekt mit dabei. Dieser Beruf macht mir Spaß. Beworben habe ich mich eigentlich wegen der Psychiatrie, weil mir das so gut gefallen hat, so viele Menschen in unterschiedlichen Lebenslagen und mit ihren Problemen zu treffen. Ich will hier bleiben: Das BKH finde ich super! Das Kollegium ist gut, man hat hier mehr Arbeitskräfte als zum Beispiel im Altenheim oder im Kreiskrankenhaus. Man kann seinen Beruf so ausüben, wie man ihn gelernt hat, und muss nicht so unter Zeitdruck arbeiten wie woanders. In meinem ersten Job wurde ich schlechter bezahlt.
Melisa Islamovic (Die 27-Jährige ist gebürtige Bosnierin und kam über Köln vor fünf Jahren nach Günzburg.): Ich bin mit meiner Berufswahl sehr zufrieden. Ich dachte am Anfang, das wird schwer wegen der Sprache. Aber ich bin sehr dankbar, dass mir das ganze Team der Schule immer geholfen hat. Ich bin glücklich, dass ich hier bin. Ich möchte im BKH bleiben und künftig auf einer Psychiatrie-Station arbeiten. Ich habe ein Sozialpädagogik-Studium in meinem Heimatlang abgeschlossen. Hier in Günzburg habe ich die Chance bekommen, wieder mit Menschen arbeiten zu können. Die Einsätze auf den einzelnen Stationen waren super. Da habe ich viel Neues gelernt, das gibt es in Bosnien leider nicht. Meine Kollegen machen keinen Unterschied, ob jemand ein psychisches oder Suchtproblem hat, welche Hautfarbe oder Religion jemand hat – das gefällt mir gut. Deswegen möchte ich hier bleiben. Wenn ich sehe, dass ein Mensch teilweise schon nach ein paar Tagen Behandlung mit einem Lachen nach Hause geht, dann ist das für mich das Schönste. Das ist nicht bezahlbar. Viele Leute wissen nicht, was außerhalb Deutschlands passiert und was schlecht bedeutet: Wir hier müssen glücklich sein, dass wir so eine Chance haben, zu arbeiten.
Zweiteinstieg:
Eine von fünf Berufsfachschulen
Der Herbstkurs 2021 (H 21) der Berufsfachschule für Pflege am BKH Günzburg besteht aus 21 Schülerinnen und drei Schülern. Sie haben bereits zwei Jahre ihrer Ausbildung hinter sich und werden nächstes Jahr ihren Abschluss zur Pflegefachfrau/zum Pflegefachmann machen. Wie Schulleiter Jan Teichert berichtet, ist der Frühjahrskurs F 24, der am 1. April 2024 startet, bereits voll. Für den Herbstkurs H 24, der im September beginnt, sind noch Bewerbungen möglich (pflegeschule@bkh-guenzburg.de). Am Campus BKH Günzburg gibt es drei Berufsfachschulen: neben der für Pflege eine für Ergotherapie und eine für Physiotherapie. Sie alle gehören zu den Bezirkskliniken Schwaben, die in Kaufbeuren eine weitere Berufsfachschule für Pflege und in Augsburg eine Berufsfachschule für Logopädie betreiben.