Bezirkskrankenhaus Günzburg: Warum diese Arbeit zur Deeskalation beiträgt

04. Februar 2025: Die Präventionsstelle Schwaben behandelt in Günzburg psychisch erkrankte Menschen, die zur Gewalt neigen. Angesichts der aktuellen Ereignisse hat die Einrichtung an Bedeutung gewonnen. Das Team setzt zu Jahresbeginn einen Schwerpunkt auf die Arbeit und den Kontakt mit Angehörigen.
Kristin Knödler, Simone Heppert, Theresa Wetzler und Carolin Schunn (von links) präsentieren in der Präventionsstelle Schwaben in Günzburg die neue Informationsbroschüre für Angehörige des Maßregelvollzugs. - Foto: Georg Schalk

Seit April 2023 behandelt die Präventionsstelle Schwaben in Günzburg psychisch kranke Menschen, die zu Gewalt neigen. Das Angebot richtet sich an Betroffene aus dem gesamten Regierungsbezirk Schwaben und wird durch das bayerische Sozialministerium finanziert. Während die Einrichtung, die sich mitten in der Innenstadt befindet, unbemerkt im Hintergrund arbeitet, ist die öffentliche Diskussion um die Asylpolitik und den Umgang mit psychisch Erkrankten nach den tödlichen Anschlägen und Messerattacken in Solingen, Magdeburg und Aschaffenburg voll entbrannt. Sie hat längst auch die Mitarbeitenden in der Präventionsstelle erreicht, man macht sich viele Gedanken. „Ja, ich glaube schon, dass unsere Arbeit zur Deeskalation beiträgt und wir einen wertvollen Beitrag leisten“, antwortet Leiterin Carolin Schunn auf die Frage, welche Bedeutung ihre Einrichtung für die Gesellschaft hat. Die Sozialpädagogin und langjährige Mitarbeiterin in der Klinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie ergänzt: „Allerdings können wir nicht die ganze Welt retten. Es geht nur so weit, wie die Betroffenen es zulassen und wie es gelingt, Zugang zu ihnen zu finden.“

Betroffene sind vorrangig Menschen mit einer Schizophrenie oder einer Persönlichkeitsstörung, die zu mehr Gewalt neigen als andere. Suchterkrankungen und Intelligenzminderung dürfen nicht im Vordergrund stehen; auch reine Gewalt- und Sexualstraftäter werden hier nicht behandelt. Die Ziele der Präventionsstellen, die es inzwischen bayernweit in jedem Bezirk gibt, lauten: Straftaten verhindern, Gewaltprävention, Opferschutz. „Dabei handelt es sich um ein spezialisiertes, niederschwelliges und ambulantes Angebot. Und es ist freiwillig“, so Carolin Schunn.

Die Präventionsstelle hat sich inzwischen etabliert. Derzeit werden hier 28 Patienten und zwei Patientinnen behandelt und begleitet. Kontaktaufnahmen erfolgen durch die Polizei, durch Kliniken, Beratungsstellen, die Bewährungshilfe, Betreuer, die Forensische Nachsorgeambulanz (FONA), Justizvollzugsanstalten und in nicht geringem Ausmaß durch die Betroffenen und deren Angehörige selbst.

Und hier setzt die Einrichtung an. „Angehörige können eine wichtige Ressource für den Patienten und den Therapieverlauf darstellen. Die Qualität der Therapie-(Motivation) kann verbessert, Vorurteile und Stigmata können abgebaut werden“, erläutert Schunn. Angehörige seien selbst oft stark belastet durch die Unterbringung, sie haben viele Fragen.

Deshalb hat die Präventionsstelle vor etwas mehr als einem Jahr die Arbeitsgruppe (AG) Angehörigenarbeit in der Forensik in Günzburg gegründet. In den vergangenen Monaten wurde mit Hochdruck an einer Informationsbroschüre für die Angehörigen des Maßregelvollzugs gearbeitet. Seit wenigen Wochen ist sie fertig und wurde mittlerweile an Betroffene ausgegeben. In dem Heft gibt es Infos darüber, was der Maßregelvollzug eigentlich ist, über Lockerungsstufen, Besuche, Telefonate, wie das mit Briefen und Paketen ist usw. „Die Broschüre bekommt jeder Besucher beim Erstgespräch“, berichtet Simone Heppert (Sozialdienst). Ziel sei, das Heft künftig in weiteren Sprachen aufzulegen: russisch, arabisch, türkisch und englisch, informiert Sozialpädagogin Theresa Wetzler. Aktuell gibt es das Druckerzeugnis nur in Deutsch. Schunn, Heppert, Wetzler sowie Psychologin Kristin Knödler, die an diesem Tag die Infobroschüre gemeinsam vorstellen, gehören allesamt zur AG, die aus insgesamt 13 Mitgliedern aller Berufsgruppen besteht. Diese treffen sich alle vier bis acht Wochen. 

Auch wenn die Präventionsstelle räumlich, personell und fachlich klar abgegrenzt von der FONA und der Psychiatrischen Institutsambulanz (PIA), die sich beide auf dem BKH-Gelände befinden, ist, so ist die Verbindung und Zusammenarbeit sehr eng. Die Präventionsstelle steht unter der Leitung der Klinik für Forensische Psychiatrie und Psychiatrie am BKH Günzburg mit ihrer Ärztlichen Direktorin Prof. Dr. Manuela Dudeck. „Sowohl innerhalb der AG als auch bei unseren Seminaren, die wir anbieten, können die Bereiche Prävention, Klinik und Forensische Nachsorge thematisch gut miteinander verbunden werden“, sagt Carolin Schunn.

Die Arbeitsgruppe hat Psychoedukationsseminare entwickelt. Diese Gruppen sind für alle Angehörigen offen. Die Gruppenteilnehmer werden über bestimmte Krankheitsbilder und deren Behandlung informiert. Treffpunkt ist jeweils die Forensische Nachsorgeambulanz, Haus 84, BKH Günzburg. Die nächsten Termine sind Donnerstag, 10. April (Thema: Doppeldiagnose - Sucht und Psychose), 17. Juli (Schizophrenie) und 2. Oktober (Umgang mit Schuld und Scham; Stigmatisierung), jeweils um 17 Uhr. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.

Zurück zu den aktuellen Entwicklungen und Diskussionen: Carolin Schunn und ihr Team sind sich sicher, dass sie durch ihre Arbeit das Risiko verringern können, dass schlimme Taten passieren. „Dabei handelt es sich lediglich um eine kleine Gruppe, die dafür überhaupt infrage kommt. Die meisten psychisch kranken Menschen sind weder gewalttätig noch gefährlich, zumindest nicht gegen Fremde“, sagen Fachleute wie Dr. Dorothea Gaudernack vom Bayerischen Sozialministerium für Familie, Arbeit und Soziales. „Ich habe das Gefühl, dass wir mit unserer Arbeit Menschen erreichen können, die sonst durchs Raster fallen“, ergänzt Schunn. Als Herausforderung bezeichnete sie es, Kontakt zur Zielgruppe - ob deutsche Staatsangehörige, Asylbewerber oder Flüchtlinge - zu halten; das Angebot sei ja freiwillig. „Das ist oft eine Geduldsprobe und wir haben es nicht komplett in der Hand. Aber wir geben nicht auf“, so die Leiterin leidenschaftlich.

Weitere Informationen gibt es unter der Mailadresse angehoerigenarbeit-fo@bkh-guenzburg.de