BKH Günzburg: 100-Jahr-Feier mit Verspätung
Die Berufsfachschule für Pflege am Bezirkskrankenhaus (BKH) Günzburg gibt es schon fast so lange wie das BKH selbst. Seit mehr als 100 Jahren werden dort Menschen im Pflegeberuf ausgebildet. Damit ist die Bildungseinrichtung eine der ältesten ihrer Art weit und breit. Wegen der Corona-Pandemie hätte die Schule ihren 100. Geburtstag vergangenes Jahr nur eingeschränkt feiern können. Das wollten die Verantwortlichen nicht. Nun soll das große Jubiläum mit einer kleinen zeitlichen Verzögerung nachgeholt werden. Den Auftakt bildet ein Tag der Pflege und Pflegeausbildung am BKH, der am Sonntag, 7. Mai von 10 bis 16 Uhr auf dem weitläufigen Klinikgelände zwischen Lindenallee und Reisensburger Straße über die Bühne geht.
Erich Renner hat den Wandel seiner Schule zu einer modernen Bildungseinrichtung unter dem Dach der Bezirkskliniken Schwaben nicht nur live miterlebt, sondern auch aktiv mitgestaltet. Seit fast zwei Jahrzehnten leitet der 63-Jährige die Berufsfachschule für Pflege. Dort absolvierte er von 1982 bis 1985 eine dreijährige Ausbildung zum examinierten Krankenpfleger. Seit 1989 unterrichtet er dort. „Die Pflege ist eine ganz wichtige Branche in unserer Gesellschaft und die größte Berufsgruppe innerhalb des Gesundheitswesens. Sie ist kein Beruf wie jeder andere, sondern etwas ganz Besonderes“, hebt Renner hervor. Mit dem Tag der Pflege und der Pflegeausbildung am BKH soll das vorherrschende, eher negativ gezeichnete Bild („schlecht bezahlt“; „zu unattraktiv“; „Belastung zu groß“) von diesem Beruf geradegerückt werden. Dazu hat die Berufsfachschule gemeinsam mit der örtlichen Pflegedirektion um Pflegedirektor Georg Baur ein buntes Programm für die ganze Familie organisiert (siehe eigener Beitrag). Damit sollen die Vielfalt, Bedeutung, Wichtigkeit und der Stellenwert der Pflege aufgezeigt werden.
Zu finden ist die Bildungseinrichtung auf dem BKH-Gelände im Haus 30 nahe der beiden Schülerwohnheime. Im Gebäude befand sich die ehemalige Schwesternvorschule. 2009 wurde es umgebaut und erweitert. Heute teilen sich die Berufsfachschulen für Pflege und für Ergotherapie Lehr- und Übungsräume dort. „Wir wissen es sehr zu schätzen, dass wir über so viel Platz zum Lernen und Arbeiten verfügen und sogar ein eigenes Schülerbistro haben“, stellt Renner fest. Die dritte Berufsfachschule der Bezirkskliniken am Standort ist die für Physiotherapie: Sie befindet sich im Bereich der neuen Pforte an der Lindenallee.
Viel hat sich im Lauf der Zeit verändert. „Die Geschichte unseres Hauses und sein Wandel von der Heil- und Pflegeanstalt zur modernen Bezirksklinik gehen Hand in Hand mit der Entwicklung der Krankenpflege und ihrer Ausbildung in Deutschland, die in ihren Anfängen ausschließlich als Hilfe dem Arzt zu- und untergeordnet und vor allem für die Verwahrung der psychisch erkrankten Menschen zuständig war“, heißt es in einem Beitrag in der Festschrift zum 100-jährigen Bestehen des BKH Günzburg im Jahr 2015, den Renner verfasst hat.
Auf die Frage, welche Dinge die Bildungseinrichtung besonders nachhaltig verändert haben, nennt der Schulleiter als erstes den „Umgang mit den Auszubildenden“. „Der Geist unserer Schule hat sich deutlich gewandelt. Früher dozierten die Lehrer im weißen Mantel vor den Klassen und es herrschte ein eher autoritäres Klima vor. Heute ist ein kooperative Miteinander selbstverständlich und die Türen unserer Lehrerbüros und auch meine Tür stehen für unsere Schülerinnen und Schüler immer offen.“ Diese pädagogische Haltung ist spürbar - im Haus herrschen eine angenehme Atmosphäre und ein positives Schulklima.
Dicke Wälzer, in denen das geballte Wissen rund um den Pflegeberuf zusammengefasst worden ist, sind inzwischen Tablets gewichen. „Dennoch muss weiter viel gelernt werden“, sagt Renner mit einem Augenzwinkern. Digitalisierung, Umstellung auf die generalistische Ausbildung, praxisorientiertere Ausrichtung und die zunehmende Akademisierung der Lehrkräfte sind weitere einschneidende Entwicklungen, die den Schulbetrieb nachhaltig geprägt und verändert haben. Während früher vorwiegend Ärzte den Unterricht hielten, sind es heute vor allem Pflegepädagogen. „Erst mit dem Krankenpflegegesetz von 2004 war es zulässig, dass eine Pflegeschule auch von einer Pflegefachkraft mit entsprechendem Studienabschluss geleitet wurde. Vor dieser Zeit durfte die Schulleitung nur durch Ärzte wahrgenommen werden. Als ich 2004 die Schulleitung übernahm, war ich weit und breit der einzige Krankenpfleger mit Uni-Abschluss, der eine Pflegeschule leitete“, so Renner.
Deutlich verändert haben sich auch die Bewerberzahlen. Konnte man früher aus der Vielzahl der Kandidaten auswählen, so sind die Pflegeschulen landauf, landab heute froh, wenn sie genügend Bewerber für den Start einer neuen Klasse finden. Am BKH Günzburg als einer der größten Ausbildungsstandorte in der Region sind der Bewerberzahlen leider auch rückläufig. Aktuell absolvieren dort insgesamt 119 Frauen und Männer die dreijährige Ausbildung zur Pflegefachkraft - immerhin.
Für den 63-Jährigen wird die 101-Jahr-Feier das letzte große berufliche Event sein: Der Bubesheimer geht im Sommer in den Ruhestand. Bis dahin finden noch ein großer Festakt (29. Juni) und ein internes Schulfest (20. Juli) statt. Von der (Gesundheits-) Politik erwartet Erich Renner, dass sie die Pflege in ein positiveres Licht rückt. „Die Gesellschaft muss uns wahrnehmen und die Wichtigkeit des Berufes erkennen. Lediglich medienwirksame Ankündigungen seitens der Politik sind wenig hilfreich und sorgen im Gegenteil für zunehmende Verärgerung bei den Pflegenden.“ Zwar erhalten die angehenden Pflegekräfte schon zu Beginn ihrer Ausbildung 1190 Euro brutto (im dritten Jahr sind es 1353). In kaum einem anderen Lehrberuf gibt es mehr Geld. Der Schulleiter ist jedoch der Meinung, dass es im Hinblick auf die besondere Verantwortung der Pflege für die Gesundheit und das Leben immer noch eine Schieflage im Vergleich zu anderen Berufsgruppen gibt. Renner wünscht sich auch, dass die Aufgaben im Gesundheitswesen neu geordnet werden und Pflegefachkräfte mit Weiterbildung und Studium erweiterte Kompetenzen erhalten. Er ist überzeugt, dass sich mit einer solchen Erweiterung der beruflichen Perspektiven das Image der Pflege nachhaltig verbessern lässt.