BKH Günzburg: „Major Tom“ fliegt jetzt nach Leipzig
Bezirkstagspräsident Martin Sailer, Oberbürgermeister Gerhard Jauernig, der Dekan der Universität Ulm, Prof. Dr. Thomas Wirth sowie eine große Zahl an Führungskräften der Bezirkskliniken Schwaben blickten auf Beckers 20-jähriger Tätigkeit in Klinik und Forschung zurück. Der 66-Jährige wird nun eine Seniorprofessur in Leipzig antreten, die er von der dortigen Universität in Anerkennung seiner „exzellenten Ergebnisse aus langjähriger Forschungs- und Lehrtätigkeit“ verliehen bekommen hat.
Becker war seit 2008 Leitender Ärztlicher Direktor in Günzburg und hatte seit Dezember 2002 die W3-Professur mit Leitungsfunktion der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie II der Uni Ulm in Günzburg inne. Bei seiner Abschiedsfeier, die einen Tag nach seinem 66. Geburtstag im BKH-Festsaal stattfand und zugleich sein letzter Arbeitstag war, begleiteten ihn seine Frau Dr. Cornelia Becker und Sohn Lukas. Die Präsenzveranstaltung fand unter Corona Bedingungen statt.
Bezirkstagspräsident Sailer, zugleich Verwaltungsratsvorsitzender der Bezirkskliniken Schwaben, sagte, dass Prof. Becker Günzburg als größten Standort des Kommunalunternehmens über lange Zeit den Stempel aufgedrückt habe. Ein Meilenstein in seiner Ära sei der Neubau der gesamten psychiatrischen Klinik. Er werde Spuren hinterlassen, betonte Sailer. Der erste Bauabschnitt ist abgeschlossen, zwei weitere werden folgen. Angesichts eines Gesamtinvestitionsvolumens von etwa 100 Millionen Euro sprach der Bezirkstagspräsident von einem Jahrhundertprojekt.
Zu den Innovationen, der der langjährige Ärztliche Direktor vorangetrieben habe, gehöre das „Home Treatment“ (jetzt PIA intensiv), eine Akutbehandlung zuhause, wie Sailer anführte. 2006 sei die Beratungsstelle FIPS für Familien in psychosozialen Notlagen etabliert worden, deren Angebot nun um eine Elternsprechstunde erweitert wird. 2011 wurde unter der Ägide Beckers auf Station 42 eine Mutter-Kind-Behandlungseinheit bei peripartalen psychischen Störungen eingerichtet. 2017 folgte LUI, ein Spezialangebot für junge Erwachsene mit psychotischen Störungen. „Die Liste des Engagements von Prof. Becker ist lang. Dabei habe ich längst nicht alles aufgezählt“, bemerkte Sailer. Von 2003 bis 2008 war der renommierte Mediziner zudem Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN).
„Sie stehen am Ende einer außerordentlich erfolgreichen Zeit, in der sie die Klinik zu nationalem und internationalem Erfolg geführt haben“, sagte der Dekan der Universität Ulm, Prof. Wirth, in großer Anerkennung. Die Zusammenarbeit zwischen der Uni und dem BKH in Forschung und Lehre sei 1977 über die Landesgrenzen hinweg in einem Staatsvertrag verankert worden. Becker sei in seinen 20 Jahren eine feste Größe und ein zuverlässiger Kooperationspartner gewesen. Wirth bezeichnete ihn als einen der renommiertesten Evaluationsforscher in der Bundesrepublik. Becker habe mehr als 400, zum Teil viel beachtete wissenschaftliche Publikationen aufzuweisen. Ihm sei stets „der Spagat zwischen der Leitung eines Supertankers – das BKH Günzburg ist einer – und der sozialpsychiatrischen Forschung“ gelungen, stellte der Dekan fest. „Dabei haben Sie sich immer bewusst für sozial Schwache eingesetzt“, lobte er den scheidenden Chefarzt.
Nach Angaben von Stefan Brunhuber, Vorstandsvorsitzender der Bezirkskliniken Schwaben, wird Prof. Becker von seinen Mitarbeitenden und Wegbegleitern als „empathisch, gerecht und extrem hilfsbereit“ beschrieben. Sein „unglaubliches Arbeitspensum“ (Brunhuber: „Er war von früh bis spät da.“) zeige sich allein schon darin, dass Becker über eine eigene Klingel am Verwaltungsgebäude verfügte, wo Patienten sich sogar bis weit in den Abend hinein direkt bei ihm ankündigen konnten. Von Gründung des Kommunalunternehmens an, also seit 2008, war der gebürtige Stuttgarter zudem Sprecher des Medical Boards der Bezirkskliniken Schwaben.
Prof. Dr. Alkomiet Hasan, Ärztlicher Direktor des BKH Augsburg und Vorstand Krankenversorgung der Bezirkskliniken, sagte, dass er schon als junger Arzt am Universitätsklinikum Göttingen von der Gradlinigkeit und wissenschaftlichen Genauigkeit der Arbeiten Beckers beeindruckt gewesen sei. Die Eigenschaften „genau; immer an der Sache und am Patienten orientiert“, hätten sich später auch im persönlichen Kontakt gezeigt. „Als Stipendiat der Humboldt-Stiftung hatte er eine sehr prägende Zeit am Kings College in London. Ich habe den Eindruck, dass London eine kleine zweite Heimat für ihn geworden ist“, sagte Hasan. Er verwies auf die vielen Auszeichnungen, die Becker erhalten hat, seine großen wissenschaftlichen Projekte im Multimillionen-Euro-Bereich und diversen akademischen Aufgaben. „Gerne hätte ich mit Dir noch das Deutsche Zentrum für Psychische Gesundheit in Günzburg und Augsburg zum Fliegen gebracht. Aber ich bin mir sich, dass wir uns bei diesem und anderen Themen wieder begegnen werden“, so der Vorstand.
Thomas Becker liebt die Musik. So war es ihm eine besondere Freude, dass das Hana-Quartett von der Hochschule für Musik und Theater München bei seiner Verabschiedungsfeier Mozart und Beethoven zum Besten gab. Eine echte Überraschung stellte der Auftritt seines Forschungsteams dar: Die Musiker:innen unter Leitung von Prof. Bernd Puschner hatten ein David-Bowie-Stück umgedichtet und besangen mit Klavierbegleitung die fiktive Kommunikation zwischen „Major Tom“ (gemeint war Thomas Becker) und der Zentrale „Psycho 2“ (die Klinik für Psychiatrie II). Dafür gab jeweils im Anschluss genauso Applaus wie für die Torte aus der Küche im Dienstleistungszentrum, die stellvertretender Küchenleiter Helmut Maier dem scheidenden Chefarzt überreichte. Das süße, liebevoll gestaltete Gebäck zeigte das BKH-Verwaltungsgebäude mit jenem Büro, in dem Prof. Becker viele Stunden und Tage seines Arbeitslebens zugebracht hat.
Wer dort künftig einzieht, steht noch nicht fest. Das Berufungsverfahren der Universität Ulm läuft.
Die Schlussworte blieben Prof. Becker vorbehalten. Es sei nun Zeit, Dank zu sagen, meinte er, und führte eine lange Liste an. Diese reichte von den Bezirkskliniken und ihren Vorständen über die Uni Ulm bis zu seiner Familie. Besonders lobte der 66-Jährige die „respektvolle, positive und pragmatische Zusammenarbeit“ im Team. Das gelte für die Krankenversorgung und für die Forschung gleichermaßen. „ Psychiatrie ist ein multiprofessionelles Geschäft. Es braucht viele, die zusammenhelfen.“ Der Standard der Zusammenarbeit am BKH Günzburg, so Becker, sei hoch. „Dies nehme ich als Markenzeichen mit aus meiner Arbeit.“