BKH Kaufbeuren: Erfolge in der Therapie dank Emma und Käthe
Eva Schmuck schaut ihre achteinhalbjährige Labradorhündin Emma an, und die erwidert den Blick, indem sie ihre Besitzerin regelrecht anhimmelt. Diese offensichtlich tiefe, innige Beziehung zwischen Mensch und Tier ist nicht gespielt: Hier haben sich zwei gefunden, die als Team funktionieren. Das ist grundsätzlich gut im Alltag, in diesem Fall aber besonders wichtig: Eva Schmuck ist Ergotherapeutin und ihre Emma ausgebildeter Therapiebegleithund im Gesundheitswesen. Beide arbeiten im Bezirkskrankenhaus (BKH) Kaufbeuren.
Die 41-jährige gebürtige Kaufbeurerin hat viel Erfahrung im Umgang mit tiergestützter Therapie. Seit 2007 ist sie in der Klinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie am BKH tätig, seit 2009 setzt sie ihre Hunde in der dortigen Komplementärtherapie mit Zustimmung der Verantwortlichen ein. Zunächst war es Sina, die allerdings 2014 überraschend starb, dann Emma, und jetzt ist schon der nächste Labrador auf dem Weg zu einem Therapiebegleithund: Käthe – 14 Wochen alt, noch klein und unglaublich verspielt, aber bereits in Ausbildung. Eva Schmuck erläutert den Unterschied zu einem Besuchshund. Während ein Besuchshund offen ist, sich über Kontakte freut und Menschen gerne auch mal anspringt, funktionieren Therapiebegleithunde nur im Team: Sie würden ohne Zustimmung niemand eigenmächtig folgen oder den Gehorsam verweigern. „Ich muss mich stets auf meinen Hund verlassen können. Er muss auch in schwierigen Situationen ruhig bleiben“, betont die Therapeutin. Deshalb hole sie sich ihre Hunde immer von Züchtern. „Es ist mir wichtig, dass sie gut sozialisiert sind.“
Ihre Arbeit gemeinsam mit den Hunden kommt in der Klinik sehr gut an. Die Patienten aus dem Maßregelvollzug kommen freiwillig zu ihr, die Warteliste ist lang. Die zuständigen Therapeuten (Ärzte, Psychologen) prüfen in jedem Einzelfall, ob sich die tiergestützte Therapie eignet, formulieren das Therapieziel und melden den jeweiligen Patienten dann bei Eva Schmuck an.
Bei suchtkranken Patienten, die in der Forensik Kaufbeuren nach § 64 StGB behandelt werden, geht es darum, eigene Bedürfnisse zurückzustecken und sich auf etwas anderes einzulassen, Verantwortung zu übernehmen und den Selbstwert zu stärken. Sie sollen dem Hund etwas beibringen. Dazu erarbeitet die Therapeutin mit ihnen einen Parcours, wo der Vierbeiner beispielsweise durch einen Tunnel geschickt wird, über eine Hürde springt oder auf einen Stuhl klettern soll. Auch mal in Form einer Acht durch die Beine laufen, zählt zu den Aufgaben. „Das braucht Geduld, Ausdauer, Konzentration - nicht einfach für die Patienten. Manche haben auch Probleme, dem Hund Grenzen zu setzen. Das kann man aufs Zwischenmenschliche übertragen. Ziel muss sein, vereinbarte klare Umgangsregeln einzuhalten und einzufordern“, erläutert Eva Schmuck.
Die 41-Jährige arbeitet mit den Patienten – je nach Lockerungsstufe – viel im Freien oder in einem der grünen Innenhöfe der Klinik. Erst kürzlich ging sie in Begleitung ihres Hundes mit einem Patienten in den Wald und ließ beide über einen liegenden Baumstamm balancieren. „Das hat Emotionen ausgelöst. Der Patient sagte mir, dass er seit zehn Jahren nicht mehr im Wald gewesen sei. Er könne sich gar nicht mehr erinnern, wann er das letzte Mal einen Waldspaziergang nüchtern erlebt habe.“ Nicht immer geht alles glatt, nicht immer ist alles einfach. „Manchmal arbeite ich bis zu drei Monaten mit jemand, bis er das Ziel erreicht hat“, so Eva Schmuck. „Dann aber beendet der Patient die Therapie mit einem Erfolgserlebnis, was ihm für sein weiteres Leben hoffentlich in guter und nachhaltiger Erinnerung bleibt.“
Bei den nach § 63 untergebrachten Personen müssen die Therapieziele niedriger gesetzt werden. Viele Betroffene sind kognitiv eingeschränkt. „Hier geht es sehr viel um Tagesstruktur: aufstehen, sich um den Hund kümmern, ihm ein spezielles Geschirr anlegen, Verantwortung übernehmen.“ Dazu, so die Therapeutin, zählen Einkaufen gehen mit und für den Hund, ihm ein Leckerli zu backen oder zu kochen, ihn zu füttern, Fellpflege usw. Dadurch soll der Patient lebenspraktisch gefördert werden.
Auch Gesellschaftsspiele stehen auf dem Plan. Emma spielt mit – denn sie kann würfeln. „Mit Schnauze und/oder Pfote ist sie in der Lage, einen Holzwürfel zu werfen bzw. zu bewegen“, beschreibt ihr Frauchen die erstaunliche Fähigkeit des Labradors, der wie die kleine Käthe zur „Arbeitslinie“ dieser Rasse zählt. Im Gegensatz dazu gibt es bei den Labradoren auch eine „Showlinie“.
„Die Patienten sind begeistert. Manche würden sich sonst auf keine andere Therapie einlassen, viele öffnen sich dank der Hunde für Gespräche“, hat Eva Schmuck festgestellt. Selbst ein Mann mit Hundephobie und großen Ängsten vor solchen Tieren habe sich nach einjähriger Therapie geöffnet. Er lässt Emma nun in seine Nähe und streichelt sie sogar manchmal.
Manche Menschen, die in der Forensik behandelt werden, haben Missbrauchs- und Gewalterfahrungen erleben müssen. Ihnen fällt es schwer, Körperkontakt zuzulassen. Hunde können hier eine Brücke bauen. „Emma spürt das, wenn traumatisierte Patienten diese körperliche Nähe suchen. Dann bekommt sie das Ok von mir und der Mensch darf auch mal mit ihr kuscheln. Das erzeugt beim Patienten, der sonst allein ist und nie die Wärme eines anderen Lebewesens erfährt, Emotionen. Im Idealfall öffnet er sich dann für andere Therapien“, erläutert die 41-Jährige.
Vier Tage pro Woche ist Emma im Dienst. Mit maximal fünf Patienten am Tag arbeitet sie. Dazwischen bekommt sie ausreichend Ruhepausen. Käthe darf ihre große Schwester und das Frauchen seit kurzem in die Arbeit begleiten. Eva Schmuck hat mit dem kleinen Labrador am Münsteraner Institut für tiergestützte Therapie eine Ausbildung begonnen. Glücklicherweise gibt es in Stuttgart eine Außenstelle, sodass sich der Aufwand einigermaßen in Grenzen hält. Alle drei Monate geht Eva Schmuck mit Emma und Käthe zum Tierarzt, um einen Gesundheitscheck zu machen. Die Hunde haben einen Gesundheitspass. „Ich bin froh und dankbar, dass mich die Verantwortlichen im Haus so unterstützen. Unser ärztlicher Direktor Norbert Ormanns hat Emma schon regelrecht in sein Herz geschlossen“, sagt die Therapeutin erfreut. Auch ihrer direkten Vorgesetzten Andrea Grygorowicz ist sie dankbar. Sie bietet ihr die Möglichkeit, die beiden Hunde im Bereich der Komplementärtherapien einzusetzen. Die Leiterin stellt ihrer Mitarbeiterin die notwendige Vor-, Durchführungs- und Nachbereitungszeit zur Verfügung und ermöglicht ihr externe Fortbildungen zur weiteren Qualifizierung. Für die Hunde gibt es in der Klinik nur zwei Einschränkungen: Sie dürfen nicht in die Küche und auch keine Sanitärräume betreten.