BKH Memmingen: Für den scheidenden Pflegedirektor packt der Vorstand die Axt aus
Die Bezirkskliniken Schwaben haben den langjährigen Pflegedirektor des Bezirkskrankenhauses (BKH) Memmingen, Bernhard Schuster, in den Ruhestand verabschiedet. Im November 1994 kam er vom BKH Kaufbeuren nach Memmingen, um dort gemeinsam mit dem damaligen Leitenden Oberarzt Dr. Andreas Küthmann eine gemeindenahe Psychiatrie unter dem Dach des somatischen Klinikums zu errichten. „Sie haben das BKH Memmingen aufgebaut, geprägt und zukunftsfähig gemacht“, sagte Bezirkstagspräsident Martin Sailer „in vollem Respekt für die beeindruckende Lebensleistung Schusters“. Mit dem 63-Jährigen würden die Bezirkskliniken ein weiteres „Urgestein“ verlieren, stellte der stellvertretende Vorstandsvorsitzende Wolfram Firnhaber fest.
Das BKH Memmingen wurde vor 29 Jahren zunächst als Abteilung des BKH Kaufbeuren gegründet, bevor es ab 2001 als eigenständige Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik geführt wurde. „Sie waren von Anfang an dabei und haben den Leitsatz ,mehr nähe‘ unserer Bezirkskliniken von Anfang an mit Leben erfüllt“, stellte Sailer fest. Der scheidende Pflegedirektor habe die Patientinnen und Patienten stets als Menschen gesehen, die es ganzheitlich zu behandeln gilt. Er sei ihnen offen gegenüber, respektvoll und auf Augenhöhe begegnet, so der Bezirkstagspräsident, der zugleich Verwaltungsratsvorsitzender der Bezirkskliniken Schwaben ist.
Schuster habe für die Klinik „gebrannt“ – selbst als er bereits die Rente vor Augen hatte, berichtete der Ärztliche Direktor des BKH, Raimund Steber. Seinen Kollegen in der Krankenhausleitung kennt er seit mehr als 30 Jahren. Er habe in der Klinik menschlich, kollegial, charmant, humorvoll und integrativ gewirkt. Mit seinem Elan und dem Herzblut, wie er die Aufgaben angepackt habe, sei Schuster ein Vorbild für die Mitarbeitenden aller Berufsgruppen gewesen. Großes Anliegen Schusters sei die Fort- und Weiterbildung der Pflegekräfte gewesen, so Steber. Ihm sei gelungen, die Psychotherapie im Klinikalltag zu etablieren.
Renate Schlichthärle, Pflegedirektorin am Klinikum Memmingen, betonte die gute Zusammenarbeit zwischen der Somatik und Psychiatrie im Haus. Sie werde „von beiden Seiten gelobt und gelebt“. „Als ich von Biberach hierher kam, hat mich fasziniert, dass es im BKH keinen Personalmangel in der Pflege gibt, sondern sogar eine Warteliste“, sagte Schlichthärle. Personalvorstand Firnhaber bestätigte, dass es bis dato keine Probleme gab, ausreichend Pflegepersonal für den Standort Memmingen zu finden. Die Pflegedirektorin des Klinikums sagte, sie könne sich künftig einen engeren Austausch zwischen der Somatik und der Psychiatrie in den Bereichen Delir (Zustand der Verwirrung), Fixierungen und Kommunikation in schwierigen Situationen vorstellen.
Sehr früh kennengelernt hat Prof. Michael von Cranach Bernhard Schuster im BKH Kaufbeuren. Dort hat Schuster „als Spätberufener im Alter von 26 Jahren“ ab 1985 eine Ausbildung zum Krankenpfleger absolviert und diese 1988 erfolgreich abgeschlossen. Zuvor hatte er eine Maschinenbauerlehre gemacht und in der elterlichen Landwirtschaft mitgearbeitet. Nach Ansicht des renommierten Mediziners hat das Pflegepersonal die intensivste Beziehung zu den Patienten, nicht die Ärzteschaft. „Pflege in der Psychiatrie ist Beziehungspflege. Sie nimmt eine zentrale Rolle in der Versorgung ein“, sagte von Cranach bei der Verabschiedung Schusters. Seinen Festvortrag hatte er durchaus zweideutig mit „Schuster bleib bei Deinen Leisten“ überschrieben. Unterzeile: „Die neuen Wege der Pflege in der Psychiatrie“.
Diese neuen Wege habe Schuster stets beschritten. Er sei selbstbewusst aufgetreten, habe Konflikte nicht gescheut und für Aufbruchsstimmung gesorgt. Er habe zur Emanzipation der Pflege in besonderer Weise beigetragen, lobte von Cranach. Da nach seiner Überzeugung Menschenrechte in der Psychiatrie eine große Rolle spielen, habe er „extrem bewundert“, dass das BKH Memmingen eine der ersten Kliniken war, die mit offenen Türen gearbeitet hat –möglichst ohne Fixierungen und Isolierungen. Der scheidende Pflegedirektor und das gesamte Team des BKH hätten mit ihrer Idee der therapeutischen Bezugspflege entscheidend dazu beigetragen, dass dies bis zum heutigen Tag gut gelingt.
Seine Nachfolgerin Ines Otte arbeitet jetzt schon 29 Jahre mit ihm zusammen. „Damals war Bernhard Schuster mein Stationsleiter. Es war eine Zeit voller Ideen, wir wollten uns unterscheiden“, blickte die 53-Jährige zurück. Schuster habe jede Pflegekraft unterstützt, die mit dem Wunsch, sich weiterzubilden, zu ihm gekommen ist. „Du hast viele interne Fortbildung auch selbst vorgenommen“, so Otte. Ärztlicher Direktor Steber sagte, dass Ines Otte gute Startbedingungen vorfinde. Überhaupt sei das BKH Memmingen gut aufgestellt.
Wer Bernhard Schuster näher kennt, ist sich sicher, dass ihm in seinem Ruhestand nicht langweilig wird: ein großes Garten- und Waldgrundstück im nördlichen Landkreis Unterallgäu, das es zu bewirtschaften gilt, eine Schreinerwerkstatt, Urlaubsreisen mit dem Wohnmobil… Pläne gibt es genug. Dazu passte ein Geschenk, das ihm Firnhaber überreichte: eine Axt. Als der stellvertretende Vorstandsvorsitzende das Werkzeug aus seiner Ummantelung holte, gab es lautes Gelächter. Denn üblicherweise hat man nicht so viel zu lachen, wenn ein Vorgesetzter die Axt auspackt.