Ein unvergessliches Erlebnis
Zehn Tage und 170 Kilometer steckten in ihren Beinen, und so manche Blase und kleineres Wehwehchen meldete sich bei jedem Schritt. Dennoch: Sie hatten es geschafft! Sie waren zu Fuß von Augsburg bis nach Kempten gewandert. „Mit ihrer Teilnahme haben Sie bewiesen, dass Sie über ihre eigenen Grenzen hinauswachsen können. Für diese Leistung gebührt Ihnen vollste Anerkennung“, sagte die weitere Stellvertreterin des Bezirkstagspräsidenten, Barbara Holzmann. Das Ziel der Veranstaltung „Jetzt läuft‘s – Psychische Gesundheit: ein Marathon, kein Sprint!“, die auch von der Kartei der Not unterstützt wurde, war erreicht. Und insbesondere die acht Menschen mit einer seelischen Erkrankung konnten sehr stolz auf sich sein.
Gestartet beim Bezirk Schwaben am Hafnerberg, ging es auf zehn Etappen quer durch Schwaben Richtung Kempten im Allgäu. Hinter der Gruppe lagen viele Eindrücke von schönen Landschaften, der Kampf gegen schwül-heißes Wetter, aber auch Gewitter und Platzregen, Spaß und Freude an der Gemeinschaft und an der Begegnung mit Fremden, spontanen Mitwanderern. Es galt, so manche innere Hürde zu überwinden. „Ich kann mir vorstellen, dass Sie spätestens morgen manchen Kilometer spüren werden. Machen Sie sich nichts daraus. Jeder Muskelkater verschwindet“, sprach Barbara Holzmann den Wanderer Mut zu.
Viel wichtiger als der Muskelkater seien jedoch die Erlebnisse, die die Gruppe während der zehn Tage mit anderen Menschen teilen konnten. Auf diesem Weg seien neue Bekanntschaften geschlossen worden. Manche dieser Bekanntschaften, so die stellvertretende Bezirkstagspräsidentin, seien vielleicht noch nie zuvor mit psychisch Erkrankten in Berührung gekommen. Holzmann: „Sie haben gezeigt, wie die Menschen hinter der Diagnose aussehen. Dass Sie sich anderen gegenüber so weit geöffnet haben, ist nicht selbstverständlich. Diese Offenheit erfordert großen Mut.“ Schritt für Schritt seien Barrieren abgebaut worden. Die Kommunalpolitikerin appellierte an die Teilnehmer, das gewonnene Selbstbewusstsein mit in den Alltag zu nehmen. „Wenn Sie eine Wanderung wie diese überstehen können, werden Sie – mit der nötigen Unterstützung – auch in Ihrem Leben so manche Hürde nehmen.“
Organisiert und ausgerichtet haben die Psychiatrie-Wanderung gemeinsam die Arbeiterwohlfahrt (AWO) Augsburg und die Bezirkskliniken Schwaben. Barbara Holzmann griff die AWO-Geschäftsführerin Claudia Frost explizit heraus. Frost hatte die Idee vor zwei Jahren geboren. „So eine verrückte Idee – und dann zieht sie das einfach durch“, stellte die stellvertretende Bezirkstagspräsidentin anerkennend fest.
Claudia Frost hatte einige Mitstreiter, die zum Teil die gesamte Strecke mitliefen. Dazu gehörten Tanja Rozanski und Markus Schuster. Auf AWO-Seite in die Vorbereitungen stark eingebracht hatte sich Lisa Amann. Filmemacher Timian Hopf begleitete die Wanderer die gesamte Strecke über. Er wir jetzt einen Dokumentarfilm erstellen.
Die letzte Etappe von Obergünzburg nach Kempten bestritten auch die Bezirksrätin Christine Rietzler aus Haldenwang, der stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Bezirkskliniken Schwaben, Wolfram Firnhaber, sowie die gesamte Krankenhausleitung des BKH Kempten, Prof. Dr. Markus Jäger (Ärztlicher Direktor), Tabea Schmid (Pflegedirektorin) und Helmut Notz (Regionalleiter). Theresa Mohr (Assistentin der Regionalleitung) hatte sich federführend um Speis und Trank für die ankommenden Gäste gekümmert, Oberärztin Dr. Martina Bungert (beide BKH Kempten) sorgte mit ihrer Klarinette für die musikalische Umrahmung.
„Was Sie geleistet haben, ist unglaublich. Sie hatten ein Ziel, und Sie haben es erreicht. Sie haben bewiesen, was in Ihnen steckt“, lobte Moderatorin Sabine Feyen die Wandergruppe in höchsten Tönen. „Mein Motto lautete: nicht aufgeben! Jeder hat mitgezogen, seine Leistungsfähigkeit mobilisiert. Wir sind als Team zusammengewachsen“, schilderte Alexander Schmidt, einer der Teilnehmer, seine Eindrücke. Auch Daniela Weigelt hob den Zusammenhalt in der Gruppe hervor. Was ihr Kraft gegeben habe, wollte die Moderatorin von ihr wissen. „Ich habe mich auf meine Tochter gefreut. Ich dachte, das ziehe ich jetzt durch“, verriet sie.
Alle Wanderer berichteten unisono, dass sie der Besuch im Kloster Irsee und die Ausführungen von Dr. Stefan Raueiser, Leiter des dort ansässigen Schwäbischen Bildungszentrums und Bildungswerks, über die dunkle Geschichte der NS-Krankenmorde beeindruckt hätten und nachhaltig in Erinnerung geblieben seien. Andreas Nöser, ein weiterer Mitwanderer, fand das Alphorn-Konzert in Ziemetshausen, der Auftritt der Band „Ruby Fruit“ bei der Psychiatrieparty im Festsaal des BKH Kaufbeuren und die Eselwanderung in Untrasried unweit der Günztalklinik Allgäu in Obergünzburg sehr schön. „Die Wanderung war eine Abfolge von Höhen und Tiefen. Wir haben auf zehn Etappen unsere Grenzen ausgelotet. Die Erlebnisse und Begegnungen haben unser Wanderereignis zu einem unvergesslichen Erlebnis gemacht“, zog Nöser als Fazit.