Fachtag in Dillingen zu Chancen für psychisch kranke Menschen auf dem Arbeitsmarkt
Unter dem Motto „Mittendrin statt Außen vor – Psychisch krank und dennoch 1. Arbeitsmarkt“ zeigten dazu Fachleute vor einem interessierten Publikum Wege auf, wie Vorurteilen gegenüber psychisch kranken Menschen auch in der Arbeitswelt begegnet werden kann und wie die Fähigkeiten der Betroffenen für den Arbeitsmarkt aktiviert werden können.
Eine neue Möglichkeit dazu bietet das Bundesteilhabegesetz, das seit 2018 ein „Budget für Arbeit“ vorsieht. Kerstin Klein, Projektbeauftragte „Arbeit für Menschen mit Behinderung“ beim Bezirk Schwaben, erläuterte die Rahmenbedingungen für dieses Budget, das Menschen mit Behinderung, die in einer Werkstätte arbeiten, den Zugang zum allgemeinen Arbeitsmarkt ermöglichen soll. Ist ein Budget bewilligt, so erhalten Arbeitgeber einen Lohnkostenzuschuss, den der Bezirk Schwaben trägt, das Inklusionsamt übernimmt die Aufwendungen für Anleitung und Begleitung am Arbeitsplatz.
Nicolas Rüsch, Professor für Public Mental Health, Leiter der Sektion „Public Mental Health“ und Oberarzt an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie II der Universität Ulm am Bezirkskrankenhaus Günzburg, zeigte anhand weltweiter Studien auf, dass Menschen mit einer psychischen Erkrankung nach wie vor mit großen Vorurteilen auf dem Arbeitsmarkt zu kämpfen haben. So gaben 75 Prozent der Befragten einer englischen Studie an, ihre Erkrankung aus Angst vor Diskriminierung bei Bewerbungen zu verschweigen. Aus gutem Grund: Andere Studien zeigten, dass psychisch Kranke kaum zu Vorstellungsgesprächen eingeladen werden. „Protest, Edukation und Kontakt“ nannte Rüsch als die drei Möglichkeiten, der Stigmatisierung entgegenzuwirken. „Wer seine Erkrankung geheim hält, hat dadurch zusätzlichen Stress“, so Rüsch, „eine Offenlegung birgt die Gefahr der Diskriminierung in sich, kann aber auch Unterstützung durch die Kollegen hervorbringen.“
Auf das Konzept des „Supported Employments“ (SE) ging Professor Reinhold Kilian, Leiter der Sektion Gesundheitsökonomie und Versorgungsforschung der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie II der Universität Ulm am Bezirkskrankenhaus Günzburg ein. Darunter versteht sich die Unterstützung von Menschen mit Behinderungen beim Erlangen und Erhalten von bezahlter Arbeit in Betrieben des allgemeinen Arbeitsmarktes.
„Das Konzept stellt die arbeitssuchende und unterstützte Person in den Mittelpunkt und berücksichtigt gleichermaßen Bedarf und Möglichkeiten von Betrieben. Der ganze Prozess wird von einer Fachstelle für berufliche Integration beziehungsweise einem Job-Coach oder Personalberater initiiert und begleitet in enger Zusammenarbeit mit beschäftigter Person, Arbeitgebern und Vorgesetzten am Arbeitsplatz, sowie anderen relevanten Partnern“, erläuterte Kilian. Statt, wie in der Bundesrepublik noch vorrangig, auf Rehabilitation zu setzen, solle das Augenmerk auf frühzeitige Unterstützung und Förderung gelegt werden. Denn, so Kilian, „die Teilhabe am Berufsleben ist eine zentrale Grundlage für psychisches und soziales Wohlbefinden.“
Wie Albert Pröller, Vorstand des GPSV Dillingen a.d.Donau betonte, sehe es das Konzept des Sonderforums vor, nicht nur die Integration psychisch kranker Menschen in den Betrieb zu diskutieren, sondern für Betriebe auch Möglichkeiten der Beschäftigung von psychisch kranken Menschen aufzuzeigen. Denn wer einmal wegen einer psychischen Erkrankung ausgefallen ist, hat es oft schwer wieder in den Berufsalltag zurückzukehren.
Das Forum soll eine Plattform sein mit Berufsgruppen im Hilfesystem sowie mit Berufsbetreuern, Betroffenen und Angehörigen ins Gespräch zu kommen. Beim „Markt der Möglichkeiten“ standen zudem das Jobcenter, der Bezirk Schwaben, die IHK Schwaben, das Inklusionsamt, der Integrationsfachdienst/REM Schwaben, die ROKO GmbH und der Psychosoziale Hilfsverein als Ansprechpartner für Fragen zur Verfügung.
Landrat Leo Schrell dankt allen Akteuren der Veranstaltung für den offenen Dialog zumal die Leistungsfähigkeit und der konkrete Unterstützungsbedarf der Betroffenen sehr individuell sei und stark abhängig vom jeweiligen Krankheitsbild und den Auswirkungen der psychischen Störung sei. „Deshalb“, so Schrell, „sei eine individuelle Beratung sehr wichtig“.