Gedenkfeier am BKH Günzburg: Erinnerung an Euthanasie-Opfer der NS-Zeit
An der Veranstaltung im Rosengarten auf dem Klinikgelände nahmen etwa 100 Personen teil. Die evangelische Krankenhaus-Seelsorgerin Ulrike Berlin, die die Veranstaltung gemeinsam mit Musik- und Ergotherapeuten sowie einer Patientin gestaltete, trug die Lebensgeschichte zweier damals ermordeter Patientinnen vor. Prof. Dr. Thomas Becker, Leitender Ärztlicher Direktor des BKH, betonte, dass die Klinik mithilfe eines Mahnmals, das 2015 eingerichtet wurde, stets der Opfer der „Euthanasie“ gedenken und die Erinnerung an sie erhalten will.
Am 5. Juli 1940, also vor 81 Jahren, fand der erste Patiententransport aus der damaligen Heil- und Pflegeanstalt Günzburg im Rahmen des Euthanasie-Programms des Nationalsozialismus statt. Unter dem Decknamen „Aktion T4“ wurden Patientinnen und Patienten nach Grafeneck auf der Schwäbischen Alb und nach Schloss Hartheim bei Linz in Österreich gebracht. Dort wurden sie ermordet.
Prof. Becker blickte auf das Jahr 2015 zurück, als das BKH Günzburg sein 100-jähriges Bestehen feierte. Abseits der Freude sollte es auch darum gehen, „an die historische Hypothek des Krankenhauses zu erinnern, nämlich an die Ermordung von 394 psychisch kranken Menschen im Rahmen der sogenannten Aktion T4 in den Jahren 1940 und 1941“. „Erinnert haben wir auch an die 1943/44 von Günzburg nach Kaufbeuren verlegten Patienten, bei denen es im weiteren Verlauf in der Heil- und Pflegeanstalt Kaufbeuren, einem Ort der dezentralen Patientenmorde, Hinweise auf sogenannte „Euthanasie“ gab: 218 Personen. Deren Namen sind hier im gläsernen Dach des Hauses ebenso festgehalten wie die Namen der Ermordeten der T4-Aktion. Sie sind also quasi gegen den Himmel geschrieben“, sagte der Leitende Ärztliche Direktor und zeigte im Rosengarten auf den Pavillon mit dem durchsichtigen Dach, auf denen die Namen der Opfer verewigt sind.
Wie Prof. Becker weiter ausführte, hätten neuere Erkenntnisse zur NS-Geschichte der Heil- und Pflegeanstalt Günzburg erbracht, dass zwischen 1941 und 1944 – also nach dem offiziellen Ende der Aktion T4 und der Räumung der Anstalt – 45 Patienten aus Günzburg wahrscheinlich durch Hungerkost, Vernachlässigung, die Überdosierung von Medikamenten oder durch eine Kombination dieser Handlungen mit unmittelbarer oder mittelbarer Tötungsabsicht starben bzw. getötet wurden. „Das Krankenhaus war somit an der regionalisierten oder dezentralen Euthanasie beteiligt. Zur Erinnerung an diese Patienten haben wir das Mahnmal erweitert“, so Prof. Becker. Dabei zeigte er auf eine Glasplatte, auf der die Namen dieser weiteren Euthanasie-Opfer festgehalten sind.
Auch in den kommenden Jahren soll jeweils am 5. Juli ein Gedenken im BKH Günzburg stattfinden.