Gedenkstätte in Irsee: Externer Fachbeirat wird einberufen.

29. Mai 2019: Angehörige haben sich gegen die Veröffentlichung eines der gezeigten Kinderbilder ausgesprochen.

Der Werkausschuss Irsee des Bezirkstags von Schwaben hat sich in seiner jüngsten Sitzung mit der „Gedenkstätte Prosektur“ befasst, die in Kloster Irsee an die Opfer der NS-„Euthanasie“ in der ehemaligen Heil- und Pflegeanstalt Irsee erinnert. Nachdem im letzten Jahr eine öffentliche Diskussion über in der Gedenkstätte gezeigte Kinderbilder entbrannt war, hatte der Bezirk Schwaben den Gedenkraum im September 2018 geschlossen.

Zwischenzeitlich konnten die historischen Bildvorlagen des Triptychons von Beate Passow recherchiert werden. Bei den für das Kunstwerk verwendeten Fotografien handelt es sich um - zum Teil anders geschnittene - Abzüge von Fotografien aus Krankenakten. Ein Bild zeigt den 7-jährigen Hermann M. aus Württemberg, der im November 1943 in die Heil- und Pflegeanstalt Kaufbeuren aufgenommen worden ist und dort im Dezember 1943 getötet wurde. Seine Einweisung durch das Gesundheitsamt seiner Heimatstadt, seine Aufnahme in die Kinderfachabteilung wie auch die mangelnde medizinische und pflegerische Versorgung in Kaufbeuren lassen darauf schließen, dass Hermann als „Reichsausschußkind“ dem nationalsozialistischen „Kindereuthanasie“-Programm unterworfen war und sein Tod durch gezielte Medikamentengaben bewusst herbeigeführt worden ist. 

Die beiden anderen Bilder zeigen den 5-jährigen Erwin M. aus Schwaben, der im Februar 1944 im „Kinderheim“ der Heil- und Pflegeanstalt Kaufbeuren Aufnahme fand und dort von seiner Mutter und seiner Tante auch besucht werden konnte. Er starb im Oktober 1944, wobei die Todesumstände auf eine Kombination von struktureller und individueller Vernachlässigung des Kindes hindeuten.
Beide Jungen waren Patienten in der Kinderfachabteilung beziehungsweise im Kinderheim der Anstalt Kaufbeuren. Eine Verbindung zu den dort durchgeführten Tbc-Impfversuchen konnte bislang nicht aufgefunden werden. Da die Krankengeschichten zumeist in der Handschrift von Anstaltsdirektor Dr. Faltlhauser geführt worden sind, der in beiden Fällen auch die Leichenschau vorgenommen hat, verzeichnet das Sektionsbuch der Pathologie in Irsee die Namen der beiden Jungen nicht. Eine Verbindung der historischen Bildvorlagen zur Gedenkstätte Prosektur in Kloster Irsee lässt sich nicht herstellen.
Während von einem der beiden Jungen keine Verwandten mehr leben, konnten von dem anderen Buben ein Bruder und eine Nichte ausfindig gemacht und kontaktiert werden. Bei ihren Besuchen in Irsee nannten sie die Veröffentlichung der Bilder dem getöteten Kind gegenüber unwürdig. Sie haben dem Schwäbischen Bildungszentrum gegenüber schriftlich erklärt, dass sie nicht wünschen, dass die Bilder ihres Bruders beziehungsweise Onkels weiterhin ausgestellt oder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Dies sei auch sicher nicht im Sinne der Eltern des dargestellten Kindes.
Bezirkstagspräsident Sailer erklärt dazu: „Das Gedenken an die Opfer der NS-Patientenmorde ohne oder gar gegen den erklärten Willen der nächsten Angehörigen kommt für den Bezirk Schwaben nicht in Betracht. Der Werkausschuss Irsee hat daher einstimmig beschlossen, einen externen Fachbeirat von Experten aus Medizingeschichte, Gedenkstättenarbeit, Denkmalpflege und Kunstgeschichte zu berufen, um gemeinsam mit Angehörigenvertretern Vorschläge für die künftige inhaltliche Konzeption der Gedenkstätte Prosektur in Kloster Irsee zu erarbeiten. Anschließend wird sich der Bezirkstag von Schwaben mit der Angelegenheit befassen und die inhaltliche Neukonzeption öffentlich vorstellen. Sie soll dann zusammen mit der notwendigen statischen und denkmalpflegerischen Sicherung des Gebäudes realisiert werden.“