Gelernt wird heute an digitalen Tafeln, die internetfähig sind

25. August 2022: Die Berufsfachschule für Physiotherapie in Günzburg besteht seit 30 Jahren. Inzwischen arbeitet sie papierlos. Zu den zahlreichen Veränderungen zählt auch ein Leitungswechsel, der im Herbst ansteht
Der bisherige Stellvertreter Rocco M. Caputo wird im Oktober die Nachfolge von Barbara Aigner antreten und die Leitung der Berufsfachschule für Physiotherapie in Günzburg übernehmen. Bilder: Georg Schalk, Bezirkskliniken Schwaben

Mit einer stimmungsvollen Gartenparty hat die Berufsfachschule für Physiotherapie der Bezirkskliniken Schwaben in Günzburg ihren 30. Geburtstag gefeiert. Mehr als 150 ehemalige und aktuelle Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte und Mitarbeitende im Sekretariat folgten der Einladung, dazu zahlreiche Mitstreiter und Förderer. Bernadette Manz vom Kurs 29 und ihr Organisationsteam hatten im Park des Bezirkskrankenhauses (BKH) lustige Sportspiele vorbereitet. Auch für die vielen Besucherkinder hatten die Schüler eine Beschäftigung, mit Bastel- und Malaktionen vorbereitet. Für Speis und Trank war reichlich gesorgt. Die Gäste konnten sich selber ihre Burger zusammenstellen. Schulleiterin Barbara Aigner hielt eine launige Rede, in der sie detailliert auf die Chronik der Einrichtung einging. Jede Person, die namentlich genannt wurde, und jede Vertreterin/jeder Vertreter einer der inzwischen 30 Kurse der Physiotherapieschule, der aufgerufen wurde, musste sich vom Platz erheben und bekam viel Applaus.

Der erste Unterrichtstag von Kurs 1 fand am 1. Oktober 1992 statt. „Schulräume befanden sich damals in den Häusern 25, 30 und 53 des BKH“, blickte Barbara Aigner zurück. Nach fast sechs Jahren und drei kompletten Umzügen fand die Schule eine dauerhafte Bleibe: Im Februar 1998 zog sie ins Haus 3 um. Dort – unweit der neuen BKH-Pforte an der Lindenallee – ist die Einrichtung noch heute zu finden. Gedacht sei das Gebäude als Interimslösung gewesen, bis ein neues, gemeinsames Schulzentrum mit Pflege und Ergotherapie gebaut ist, erinnert sich die Leiterin. Aber wie heißt es so schön: Nichts ist beständiger als ein Provisorium. Und nach wie vor fühlen sich Schüler und Lehrer dort sehr wohl.

Über drei Jahrzehnte änderte sich der Name der Schule mehrfach: Aus der „Berufsfachschule für Krankengymnastik des Bezirks Schwaben am Bezirkskrankenhaus Günzburg“ ist inzwischen die „Berufsfachschule für Physiotherapie der Bezirkskliniken Schwaben in Günzburg“ geworden. Sie ist neben der Pflege- und Ergotherapieschule eine von drei Berufsfachschulen am Standort.
Während Barbara Aigner selbst eine ganze Reihe von Vorgesetzten hatte, bildete sie selbst eine Konstante: Seit Oktober 1993 an der Schule (zunächst als Lehrkraft und noch unter ihrem Mädchennamen Reisert), übernahm sie im März 1995 die Funktion als Physiotherapeutische Schulleitung. Die Ärztliche Leitung hatte der jeweilige Chefarzt der Klinik für Neurologie inne. Das blieb so bis 2015: Dann ging Prof. Dr. Dr. Bernhard Widder in den Ruhestand und die Position des Ärztlichen Schulleiters wurde nicht weitergeführt: Physiotherapeuten konnten fortan Schulleiter sein. Die Wahl fiel damals auf die bisherige physiotherapeutische Schulleitung Barbara Aigner. „Ich bin also eigentlich erst seit sieben Jahren offiziell alleinige Schulleiterin“, verriet sie.
2019 übernahm der stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Bezirkskliniken, Wolfram Firnhaber, die Aufgaben als Personalvorstand in Augsburg. Er ist seitdem der Vorgesetzte aller Schulleiter innerhalb des Gesundheitsunternehmens. „Die Stellung der Schulen wurde so deutlich aufgewertet“, so Aigner.

Im Oktober 2022 gibt es nun einen Wechsel an der Spitze. Rocco M. Caputo, langjähriger Stellvertreter von Barbara Aigner und ebenfalls bereits seit 1993 an der Schule, wird die Leitung übernehmen. Aigner reduziert ihre Arbeitszeit auf eigenen Wunsch um 50 Prozent und fungiert ab Herbst weiterhin als Lehrkraft. Felix Gruber übernimmt die Aufgaben des stellvertretenden Schulleiters von Rocco Caputo.

Die Berufsfachschule für Physiotherapie bildet jedes Jahr einen Kurs aus. Jeweils 24 Plätze stehen hierfür zur Verfügung. Die Ausbildung dauert drei Jahre. Im Herbst startet Kurs 31. „Die examinierten Physiotherapeutinnen und -therapeuten sind gefragte Fachkräfte und haben in der Regel weit vor ihrem Abschluss eine feste Arbeitsplatz-Zusage in der Tasche“, sagt Aigner. Die Schülerinnen und Schüler haben seit drei Jahren den „Doppelstatus“ als Schüler mit allen Auflagen der Schulgesetze und als Auszubildende mit allen Vorgaben des Arbeitsgesetzes. Sie bekommen eine Ausbildungsvergütung, haben aber nur noch 30 Tage Urlaub wie andere Arbeitnehmer. Die Zeiten von 1996, als es 951 (!) Bewerbungen für die 24 Plätze gab, sind allerdings längst vorbei.
Komplett verändert hat sich auch die Arbeitsweise in den Klassen. Alle Unterrichtsräume sind nach Angaben Aigners mit C-Touch-Geräten ausgestattet. Das sind digitale Tafeln, die internetfähig sind. Die Schüler arbeiten mit Stift und Laptop, die Schule ist – bis auf Prüfungen und die Papiere für die praktische Ausbildung – papierlos.

Nicht verändert hat sich die Tatsache, dass Physiotherapeuten „Bewegungsexperten“ sind und kreativ sein müssen. Deshalb konnten die Gäste in Laufe des Gartenfestes bei so exotischen Spielen wie Teebeutelweitwurf mit dem Mund oder „Schlappen verschlappen“ ihre Spontanität, Flexibilität und ihr sportliches Können beweisen. Für denjenigen, der es besonders gut machte, gab es eine zehnminütige Massage zu gewinnen.

Die Weiterentwicklung ihres Berufes lag Barbara Aigner immer am Herzen. So hat sie, nach mehreren Versuchen und mit einigem Durchhaltevermögen, gemeinsam mit ihren Günzburger Schulleiter-Kollegen Rainer Vollmer (Ergotherapie) und Erich Renner (Pflege) die noch heute bestehende Kooperation mit der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) Heidenheim in die Wege geleitet und den Studiengang „Interprofessionelle Gesundheitsversorgung“ mitgestaltet. Dabei erhielt sie tatkräftige Unterstützung von Prof. Widder und vom ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Thomas Düll. Auf die Frage, nach welchem Motto sie ihr Tun stets ausgerichtet habe, zitierte die scheidende Schulleiterin den amerikanischen Philosophen Ralph Waldo Emerson, der von 1803 bis 1882 gelebt hat: „Wessen wir am meisten im Leben bedürfen, ist jemand, der uns dazu bringt, das zu tun, wozu wir fähig sind.“