Hilfe für junge Menschen mit Cannabiskonsum und psychotischem Erleben

25. Juli 2022: Das Projekt „Cannabis und Psychose“ (CaP) setzt auf eine bessere Vernetzung und für mehr Prävention im Großraum Augsburg. Das BKH, die Universität, Condrobs e.V. und die Robert-Vogel-Stiftung sind beteiligt. Zu den engeren Partnern gehört auch das Netzwerk der Suchthilfeträger wie Drogenhilfe Schwaben, Caritas und Kompass Augsburg.
Cannabis und Psychose Symposium Foto: Georg Schalk - Bezirkskliniken

Sie engagieren sich seit mehr als einem Jahr für das Präventions- und Unterstützungsprojekt Cannabis und Psychose (CaP) am Bezirkskrankenhaus Augsburg: (von links) Ayla Fickler, Meike Lies (beide Betreutes Einzelwohnen; Condrobs), Psychologin Lena Vollmer, Oberärztin Dr. Sophie-Kathrin Kirchner (beide BKH/Unimedizin Augsburg), Guido Freiherr von Crailsheim (Vorstand Robert-Vogel-Stiftung), Karin Wiggenhauser (Bereichsleiterin), Stefan Wenger (Abteilungsleiter; beide Condrobs), Prof. Dr. Alkomiet Hasan (Ärztlicher Direktor BKH).

Inzwischen gibt es das Präventions- und Unterstützungsprojekt Cannabis und Psychose (CaP) seit mehr als einem Jahr in Augsburg. Im Mittelpunkt stehen junge Menschen, die Cannabis konsumieren und unter psychotischem Erleben leiden. Wie Dr. Sophie-Kathrin Kirchner, Oberärztin am Bezirkskrankenhaus (BKH), bei einem Symposium berichtete, gibt es erste Behandlungserfolge. „Die ersten klinischen Beobachtungen haben gezeigt, dass 24,3 Prozent unserer Patientinnen und Patienten beruflich re-integriert werden konnten“, teilte die ärztliche Leiterin von CaP mit. Es ist ein Kooperationsprojekt der Bezirkskliniken Schwaben mit seinem BKH als Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik der Universität Augsburg, von Condrobs e.V. als überkonfessionellem Träger sowie der Robert-Vogel-Stiftung, die die finanziellen Mittel bereitstellt.

Neben Dr. Kirchner arbeiten Psychologin Lena Vollmer (beide BKH) sowie Diplom-Sozialpädagogin Meike Lies und Sozialarbeiterin Ayla Fickler (beide Condrobs) in der Adoleszentenambulanz für Cannabis und Psychose. Die Einrichtung befindet sich im Ambulanzzentrum des BKH an der Geschwister-Schönert-Straße im Stadtteil Kriegshaber.

Zielgruppe sind junge Menschen zwischen 18 und 30 Jahren, die unter einer psychotischen oder affektiven Störung leiden und Cannabinoide konsumieren oder konsumiert haben. Ziel ist es, diese Patientinnen und Patienten zu behandeln, zu begleiten und eine Chronifizierung der Erkrankung zu verhindern. „Wir wollen die Symptome frühzeitig erkennen und therapeutisch intervenieren. Dabei kommt es auf das Zusammenspiel zwischen Psychotherapie, Sozialberatung, Angehörigenarbeit und psychopharmakologischer Therapie an“, erläuterte die Oberärztin.
Aktuell behandelt die CaP-Ambulanz 45 Patienten. 80 Prozent von ihnen sind männlich, 20 Prozent weiblich. Das Durchschnittsalter beträgt knapp 24 Jahre. „Studien zeigen, dass Cannabiskonsumenten und -konsumentinnen, häufiger unter Ängsten, depressiven Symptomen und Suizidalität leiden. Manche, die ein besonderes Risikoprofil haben, entwickeln eine Schizophrenie.“ Für Dr. Kirchner, Lena Vollmer und Stefan Wenger, Abteilungsleiter bei Condrobs, ist klar: Cannabis, die am meisten verbreitete illegale Substanz in Deutschland, ist dafür mitverantwortlich; der Stoff sei ein Risikofaktor für die Entwicklung einer psychotischen Symptomatik.

Das Netzwerk der Suchthilfeträger in Schwaben – neben Condrobs gehören die Drogenhilfe Schwaben, Caritas und Kompass Augsburg dazu – aber auch die Klinik für Psychiatrie beobachten, dass die Droge hochprozentiger wird. Der THC-Gehalt im Cannabis beträgt häufig über zehn Prozent. „Bei täglichem Konsum führt das zu häufigeren Konsumstörungen und einer Zunahme von Ängsten, Depression und Suizidalität. Das Risiko, eine Psychose zu entwickeln, ist fünffach erhöht“, erläuterte die Medizinerin. Dr. Kirchner führte eine aktuelle Studie der Uni Ulm an, wonach eine achtfache Erhöhung der Cannabis-induzierten Psychosen seit 2011 beobachtet wurde.

Wer kifft und sich immer mehr zurückzieht, wer das Gefühl hat, dass etwas in seiner Umgebung nicht stimmt, wem das Angst macht oder wer bemerkt, dass seine Sinne ihn täuschen, der sollte den ersten Schritt machen und mit dem CaP-Team Kontakt aufnehmen, lautete der Appell der Verantwortlichen. Das geht auch anonym. Das Angebot ist niederschwellig und kostenfrei, es richtet sich direkt an die Betroffenen und deren Angehörigen. Die Hilfesuchenden entscheiden selbst über Therapie, Dauer und Zeitraum. Zeitgleich beginnt die Re-Integration in Schule oder Beruf.
Das CaP-Therapie- und Beratungsangebot umfasst Therapiegruppen mit verschiedenen Schwerpunkten sowie individuelle Einzelgespräche. Seit Januar 2022 gibt es auch eine CaP-Wohngemeinschaft in Kooperation mit dem Betreuten Einzelwohnen von Condrobs. Um die Versorgung auszubauen, ist eine weitere Vernetzung mit den Suchthilfeträgern geplant.
Karin Wiggenhauser, Bereichsleiterin Hilfen für Erwachsene und bayernweite Angebote bei Condrobs, lobte die Zusammenarbeit der Netzwerkpartner. „Wir wollen Lücken entdecken, wo die Hilfe bei den jungen Menschen, die sie brauchen, nicht ankommt.“ Mit dem CaP-Projekt werde eine solche Schnittstelle überbrückt.

Prof. Dr. Alkomiet Hasan, ärztlicher Direktor des BKH und Vorstand Krankenversorgung der Bezirkskliniken Schwaben, sieht die Wurzel des Übels vor allem darin, dass Menschen, die bei Cannabiskonsum psychotisch werden, viel zu spät im Hilfesystem ankommen. „Deshalb ist es so wichtig, dass dieses Projekt durch Condrobs kanalisiert wird“, so Prof. Hasan. Von den politischen Entscheidungsträgern erwartet der Klinikdirektor mehr Verständnis. „Wir brauchen deutlich mehr finanzielle Mittel, um solche Vorhaben unterstützen zu können.“
Aktuell kommt das Geld für das CaP-Projekt von der Robert-Vogel-Stiftung. Die Finanzierung ist für drei Jahre gesichert. Wie es danach weitergeht, ist offen. Die Stiftung fördert die Behinderten-, Jugend- und Altenhilfe sowie die Unterstützung insbesondere psychisch oder körperlich hilfsbedürftiger Menschen. Stiftungsvorstand Guido Freiherr von Crailsheim sagte, er sei dankbar für dieses „innovative und wertvolle Projekt, das Prävention, Behandlung und Begleitforschung miteinander verbindet“. Er freue sich, dass die verschiedenen Organisationen vor Ort nicht nebeneinander arbeiteten, sondern gemeinsam.

Eine fachkundig besetzte Podiumsrunde bildete den Abschluss eines interessanten, dreistündigen Symposiums. In der Mehrzweckhalle des BKH diskutierten Oberärztin Dr. Sophie-Kathrin Kirchner, der Geschäftsführer der Drogenhilfe Schwaben, Uwe Schmidt, Rechtsanwältin Martina Sulzberger und Magdalena, eine Teilnehmerin des CaP-Programms, über hochaktuelle, zum Teil brisante Fragen: Welche Auswirkungen hat die geplante Legalisierung von Cannabis auf junge Menschen und wie lässt sie sich möglichst sicher gestalten? Wie können junge Menschen frühzeitig und präventiv erreicht werden? Wie lässt sich die Chronifizierung von Psychosen erreichen? Und welche Erfolgsfaktoren gibt es, um den Betroffenen zu neuen Perspektiven, zu Orientierung und Selbstständigkeit zu verhelfen? Moderiert wurde die Diskussion von Andreas Herz vom Bayerischen Rundfunk.

Kontakt: Das CaP-Team ist erreichbar im Früherkennungs- und Adoleszentenzentrum (FrAAx) am BKH Augsburg, Geschwister-Schönert-Straße 2, 86156 Augsburg, Mail: cap@bkh-augsburg.de. Internet: www.condrobs.de/einrichtungen/cap