Inklusives Golfspiel in Dillingen zeigt: Barrieren bestehen eher außerhalb des Golfplatzes
Zumal bei diesem außergewöhnlichen Golfspiel auch nicht der Wettbewerb, sondern vor allem die Freude am Spiel im Vordergrund stand. Und eine Botschaft: Der Golfsport hat sich bereits schon in mehrfacher Hinsicht für das Thema Inklusion geöffnet: Nicht nur was die Teilnahme von Sportlern mit Behinderung anbelangt, sondern auch als berufliches Einsatzgebiet für behinderte Menschen.
Bezirkstagspräsident Jürgen Reichert, selbst passionierter Golfer mit einem hervorragenden Handicap, hatte das Spiel auf dem Neun-Loch-Parcours des Golfclubs Dillingen initiiert. Mit Jennifer Sräga, der erst 18-jährigen Vize-Europameisterin bei den Golferinnen mit Behinderung, bildete Reichert das Team Schwaben, während Markus Ferber mit Steffi Sräga (20) die europäische Fahne hochhielt.
Die beiden talentierten Schwestern aus Senden (Landkreis Neu-Ulm) wurden von den Eltern an den Golfsport herangeführt. Und haben diese - wie seither viele andere langjährige Sportler auch - schon lange überflügelt. Jennifer Sräga wird von manchen jedoch nicht nur aufgrund ihrer Jugend, sondern auch wegen ihrer Körpergröße immer noch unterschätzt - ein Fehler, wie schon mancher erfahren musste. Denn die 1,30 Meter große Frau gleicht, was ihr an Kraft und Größe fehlt, durch Präzision, Coolness und Verstand aus. Barrieren zeigen sich, wenn sie ihren Sport ausübt, erst außerhalb des Platzes: „Zu Turnieren muss mich jemand begleiten, weil ich natürlich nicht mit der schweren Ausrüstung und anderem Gepäck allein reisen kann."
Auch in anderer Hinsicht werden kleinwüchsige Menschen im wahrsten Sinn des Wortes noch übersehen, wenn es um Barrierefreiheit geht - man denke beispielsweise nur einmal daran, in welcher Höhe Handwaschbecken in öffentlichen Einrichtungen gewöhnlich installiert sind. Während man sich in vielen Golfclubs mehr und mehr auf Menschen mit Behinderung einstellt - weil der Golfsport, wie sportwissenschaftliche Studien zeigen, gesundheitsfördernd ist und vielen eine Teilnahme trotz körperlichen Einschränkungen eröffnet - stößt Jennifer eher anderswo auf andere Hindernisse. So würde sie gerne einen Führerschein machen, um selbständig in die Schule, zum Training oder auch zu Wettbewerben zu gelangen - doch die Umrüstung eines Autos ist teuer, ein Zuschussantrag wurde erst einmal abgelehnt. Dabei muss die Vorzeige- Leistungssportlerin alles selbst finanzieren, sogar die Anreise zur Europameisterschaft.
Auch Dominik Schumacher hat auf dem Golfplatz seine Erfüllung gefunden - wenn auch auf andere Weise wie Jennifer Sräga. Der junge Mann lebt seit 2016 in einer Wohngruppe von Regens Wagner in Dillingen und arbeitet dort in einer Werkstätte für Menschen mit Behinderung. Bereits im Sommer 2017 und nun erneut ist er als Praktikant im Golfclub Dillingen als „Greenkeeper" tätig. Und Markus Grimminger, Präsident des Golfclubs Dillingen, ist voll des Lobes für seinen Mitarbeiter: „Er ist bei allen sehr beliebt, weil er freundlich, aufmerksam und unheimlich fleißig ist." Löcher im Rasen? Zuwenig Sand im Bunker? Das gibt es für Dominik nicht. Der 24-jährige geht so in seiner Arbeit auf, dass er selbst beim Spiel Schwaben-Europa alle Unebenheiten, herumliegende Bälle und trockene Stellen registriert: „Da muss ich morgen ran."
Für Markus Grimminger war es keine große Frage, den Versuch mit einem behinderten Mitarbeiter für die Platzpflege einzugehen. „Natürlich war die Unterstützung durch die Werkstatt anfangs nötig und wichtig", so Grimminger, „aber inzwischen läuft alles ganz selbständig." So sehr, dass das Praktikum nun in einen regulären Außenarbeitsplatz münden wird. Das heißt: Dominik arbeitet fest beim Golfclub, aber bleibt als Mitarbeiter bei Regens Wagner angestellt. „Das hat den Vorteil, dass sowohl er als auch der Arbeitgeber noch weiterhin von uns begleitet werden, sollte es Fragen oder Probleme geben", erläutert Ingrid Schieb vom Sozialpädagogischen Dienst der Regens-Wagner-Werkstätten Dillingen.
Außenarbeitsplätze, so Stefan Dörle, Inklusionsbeauftragter beim Bezirk Schwaben, sind oft ein erster Schritt hin zur dauerhaften Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Allein im Bezirk Schwaben sind in den 17 Werkstätten für Menschen mit Behinderung knapp 4.900 Menschen beschäftigt, davon auf Vollzeit-Außenarbeitsplätzen etwa 124. „Das ist eine Quote von 2,55 Prozent, die durchaus über dem bundesweiten Durchschnitt von etwa einem Prozent liegt", so Dörle.
Zufrieden sind jedoch weder der Inklusionsbeauftragte noch Bezirkstagspräsident Jürgen Reichert damit noch lange nicht.
„Wenn sich noch mehr Arbeitgeber öffnen, ginge da noch mehr", so Reichert. „Angenommen in Schwaben würde jeder Golfclub einem Menschen mit Behinderung eine Chance bieten, wie es hier in Dillingen geschieht - dann hätten wir schon wieder einen großen Schritt vorwärts gemacht."