Jugendforum Schwaben sagt Populismus, Fake News & Co. den Kampf an – mit pädagogischen Mitteln
„Unsere Gesellschaft verändert sich: Wenn ein US-Präsident mit Twitter-Botschaften Schlagzeilen macht und diese anschließend unüberprüft als Wahrheit angesehen werden, ist die Demokratie in Gefahr“, stellte Bezirkstagspräsident Martin Sailer bei seiner Begrüßung der rund 40 Gäste aus Landes- und Bezirkspolitik und aus der Jugendarbeit fest. Entsprechend gelte es, Kinder und Jugendliche stark zu machen.
Wie genau dies geschehen kann, erklärten Katharina Gmeinwieser von der Medienfachberatung Schwaben (Bezirk Schwaben / Bezirksjugendring Schwaben) und Lorenz Semmler, Referent für Politische Bildung beim Bezirksjugendring Schwaben. Eigene Vorstellungen drückten viele Jugendliche im Internet bereits mit Online-Petitionen und Beiträgen in sozialen Netzwerken aus; gleichzeitig organisierten sie sich via Internet zu Protestaktionen, beispielsweise zu Demonstrationen gegen den Klimawandel. Dies sei jedoch nicht bei allen Jugendlichen der Fall - und das Verständnis der Technik bei weitem nicht alles. Wichtig sei es entsprechend, durch Ansätze der Medienpädagogik und der politischen Bildung die Entwicklung der Mündigkeit zu unterstützen. Dies gelinge unter anderem dadurch, gemeinsam mit den Jugendlichen Systeme und Machtverhältnisse zu entdecken und zu hinterfragen - beispielsweise, was Internet-Großkonzerne wie Facebook mit den gesammelten Daten machen, oder wie eine öffentliche Verwaltung funktioniert. „Auf dieser Grundlage können Jugendliche später reflektierte Entscheidungen für ihr eigenes Handeln treffen“, so Gmeinwieser. Für beide Beispiele haben die Medienfachberatung und die Fachstelle für Politische Bildung bereits die Projekte entwickelt, in denen die pädagogischen Bereiche ineinander greifen: „Big Up 4 Big Data“ und „Bezirk Schwaben erleben!“
Eine solche Verzahnung müsse nun noch weiter ausgebaut werden, sowohl in den Fachbereichen als auch in ihrer Zusammenarbeit: Die Medienpädagogik müsse die politischen Aspekte stärker als bisher in den Blick nehmen, indem sie beispielsweise bei technischen Werkzeugen Alternativen zu den Marktführern anbiete und eine klare Haltung gegen Hassrede und Populismus zeige. Gleichsam müssten in der politischen Bildung die Wechselwirkungen zwischen Medien und Gesellschaft Beachtung finden und Medien, die fester Teil der Lebenswelt der Jugendlichen seien, stärker didaktisch eingesetzt werden. „Die Nutzung von Medien bietet eine zusätzliche Motivation sowie bei kreativer Arbeit die Möglichkeit, mit sich selbst in Kontakt zu kommen und Selbstwirksamkeit zu erfahren“, so Semmler. Auch an die Politik stellten Gmeinwieser und Semmler Forderungen: Sie sollten unter anderem Räume für Beteiligungsprozesse öffnen, Plattformen wie den Netzwerktag Politische Bildung Schwaben und das Schwäbische Kinder- und Jugendfilmfestival weiter fördern und für die nötigen technischen und personellen Ressourcen sorgen.
Beispiele, wie Medien kreativ und für die politische Bildungsarbeit eingesetzt werden können, konnten die Gäste selbst ausprobieren: Unter anderem konnten sie bei einer Fotostation ein Statement gegen Hassrede abgeben und an einem mediengestützten politischen Quiz teilnehmen. Zwei der Betreiber der sieben Info- und Mitmachstationen stellten ihrer Arbeit anschließend noch näher vor. Anna Heiland und Mirko Zeisberg vom Kreisjugendring Ostallgäu zeigten, wie sie mit ihrem Projekt „What’s UP?! – Aktive Jugendbeteiligung im ländlichen Raum“ mit einer Kombination aus Treffen und digitalen Werkzeugen den Ideen Jugendlicher Gehör verschaffen. Die Bandbreite geht dabei von Abstimm-Tools im Internet über im umgebauten Kleinbus aufgenommene Video-Statements bis hin zur Neugestaltung des Jugendtreffs mit dem virtuellen Baukasten des Spiels Minecraft. Entscheidend sei bei allem Medieneinsatz zwar der Einstieg durch einen persönlichen Kontakt, dennoch biete der Einsatz von Medien eine gute Motivation, sich mit Politik zu beschäftigen - auch bei der digitalen Schnitzeljagd durch den Ort, bei der Jugendliche Europa in ihrer eigenen Lebenswelt erleben. Ebenfalls beim Projekt „myDemokratie!“ von Pareaz e.V. waren Medien ein wichtiges Werkzeug: Jugendliche mit und ohne Migrationshintergrund organisierten sich, um die „Lange Nacht der Demokratie“ im September 2018 in Augsburg vorzubereiten, zu bewerben und zu begleiten. Laut Projektleiterin Susanne Thoma sei beispielsweise das Führen von Interviews in deutscher Sprache für einige der Jugendlichen eine „Mutprobe“, der Erfolg dabei ein wichtiger Schub für das Selbstbewusstsein gewesen.
Von diesem Feuerwerk der Projekte und dem anschaulichen Überblick durch die Fachstellen des Bezirks und Bezirksjugendrings beim Jugendforum zeigten sich neben der Jugendbeauftragten des schwäbischen Bezirkstags, Renate Deniffel, auch die weiteren Gäste begeistert: Nach dem Ostallgäuer Vorbild schwebt nun auch Thomas Wilhelm vom Stadtjugendring Kempten ein Jugendparlament, das bei der örtlichen Politik Gehör findet, sowie die Einrichtung eines Kleinbusses für Video-Statements vor. Und Benjamin Gloeckner von der THW-Jugend Schwaben bestätigt: „Es waren Projekte dabei, die man vor Ort fast eins zu eins umsetzen kann und mit denen man die Beteiligung aktiv einfordern kann - man muss sie nur an die jeweilige Situation und Zielsetzung anpassen.“
Die Vortragsfolien zum Jugendforum 2019 sind unter www.bezirk-schwaben.de/jugendforum2019 einsehbar; Weitere Informationen zur pädagogischen Arbeit gibt es bei der Medienfachberatung Schwaben unter www.medienfachberatung-schwaben.de und beim Bezirksjugendring Schwaben unter www.bezjr.de