Kleine Praxis löst große Freude aus
Insbesondere die stellvertretende Bezirkstagspräsidentin Barbara Holzmann hatte lange für eine bessere psychiatrische Versorgung der Menschen im südlichen Landkreis Oberallgäu gekämpft. „Ich freue mich wahnsinnig, dass Sie da sind“, sagte sie bei der Eröffnung.
Etwa 80.000 Menschen sind es, die im südlichen Oberallgäu von Waltenhofen über Sonthofen und Immenstadt bis Oberstdorf leben. Für sie gab es bis dato nur einen niedergelassenen Nervenarzt, und der ist über 80 Jahre alt, berichtete Holzmann. Laut Kassenärztlicher Vereinigung besteht jedoch eine Überversorgung in diesem Gebiet – aber warum? Weil Psychiater, Neurologen und Psychotherapeuten in der Berechnung zusammengefasst werden. „Das wäre so, als würde man Gynäkologen und Urologen in einen Topf werfen“, sagt Elena Ito. Die 56-jährige Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie sowie Oberärztin am Bezirkskrankenhaus (BKH) Kempten wird die Praxis leiten. Unterstützt wird sie von der Medizinischen Fachangestellten Tanja Amann. Die Praxis mit der Adresse „Im Stillen 1“ ist von Montag bis Donnerstag jeweils von 8 bis 12 Uhr geöffnet. Nachmittags übernimmt Ito Konsiliardienste beispielsweise in der benachbarten Klinik Immenstadt oder in der Reha-Klinik Sonthofen.
Die Praxis befindet sich in den Räumen des Betreuten Fahrdienstes des Roten Kreuzes Oberallgäu, unmittelbar neben der Wache der Bergwacht Immenstadt. „Wir wollten im Bereich des Krankenhauses bleiben und erst ins Ärztezentrum. Doch das hat nicht geklappt. Jetzt sind wir froh, dass uns das BRK Räume zur Verfügung gestellt hat“, sagte Stephan Graf, Geschäftsführer des Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) Bezirkskliniken Schwaben, zu dem die Praxis in Immenstadt gehört. Wer in die beiden schönen, hellen Räume geht, kann sich gar nicht vorstellen, dass diese bis vor wenigen Wochen noch als Lagerräume des BRK-Fahrdienstes genutzt worden sind.
Die Eröffnung der Praxis war eine schwere Geburt. Diese Erkenntnis zog sich wie ein roter Faden durch die Ansprachen der Gäste dieser „kleinen, aber feinen Runde“ (Vorstandsvorsitzender Stefan Brunhuber). In Kenntnis der Unterversorgung und der weiten Wege hätten das BKH Kempten und die Bezirkskliniken Schwaben sich schon vor sechs Jahren darum bemüht, in Immenstadt eine Außenstelle einzurichten. „2020 haben wir das endgültige Aus mitgeteilt bekommen. Dann stellte sich die Frage: Was machen wir jetzt? Die Patienten sind da“, erläuterte der Ärztliche Direktor des BKH, Prof. Markus Jäger. Schnell wurde klar: Es wird ein Facharztsitz benötigt. Als der gefunden war, habe sich Elena Ito als „Glücksfall“ erwiesen, betonte Prof. Jäger. Die Oberärztin, die gemeinsam mit seinem Stellvertreter Carlos Martinez den Konsilardienst in der Region aufgebaut hat, sei bereit gewesen, sich in Immenstadt anzusiedeln. Der Ärztliche Direktor unterstrich: „Wir wollen uns nirgendwo reindrängen oder jemand etwas wegnehmen, sondern es geht uns ausschließlich um eine gute Versorgung der Patienten.“
Dass der Bedarf da ist, verdeutlichte MVZ-Geschäftsführer Stephan Graf. „Ohne groß Werbung gemacht zu haben, füllt sich der Kalender“, informierte er. Nachdem es über das BKH Kempten mit seinen stationären, teilstationären und ambulanten Angeboten aufgrund gesetzlicher Regelungen nicht möglich gewesen sei, eine Außenstelle einzurichten, habe man es über das MVZ versucht. Am Ende mit Erfolg. „Wir haben nicht aufgegeben“, so Graf.
Laut Stefan Brunhuber war es ein Anliegen des Vorstandes der Bezirkskliniken, in der Region vertreten zu sein. „Wir hatten hier schon mal eine Psychiatrische Institutsambulanz und mussten sie schließen“, gab er zu bedenken.
Immenstadt ist nach Günzburg, Krumbach und Kaufbeuren der vierte Standort des MVZ Bezirkskliniken Schwaben. Ärztlicher Leiter Dr. Jens Engelke versicherte, dass ein großes Team dahinter stehe: 40 Angestellte sowie 21 Ärztinnen und Ärzte in Teilzeit aus allen neurowissenschaftlichen Fächern gehörten dazu.
Barbara Holzmann dankte zum Abschluss allen, die dank ihrer Hartnäckigkeit und Zielstrebigkeit dabei geblieben sind, um für die Menschen aus der Region mit psychiatrischen Erkrankungen eine erreichbare, fachärztliche Praxis zu eröffnen. Für die stellvertretende Bezirkstagspräsidentin war es ein doppeltes Heimspiel. Sie hat mehr als 30 Jahre in der ambulant sozialpsychiatrischen Versorgung vor Ort gearbeitet, zuletzt als Leiterin in Immenstadt. Außerdem wohnt sie unweit vom Standort entfernt: Barbara Holzmann kam zu Fuß zur Eröffnungsfeier. „Ich wünsche mir eine gute, enge Kooperation mit dem Sozialpsychiatrischen Zentrum hier, dessen Tagesstätte, dem Sozialpsychiatrischen Dienst und dem ambulant betreuten Wohnen“, ergänzte sie.