Nase ist "Fisch des Jahres 2020"

20. Dezember 2019: Der einst in Schwaben in großen Schwärmen vorkommende „Weißfisch“ – der frühere Oktoberfest-Steckerlfisch ─ ist heute weitgehend unbekannt. Die Wahl zum Fisch des Jahres lenkt die Aufmerksamkeit auf eine stark gefährdete Fischart, die dringend unsere Unterstützung benötigt. Denn in 87 Prozent der bayerischen Gewässerstrecken ist die Artenzusammensetzung gestört. Der Fischereihof Salgen des Bezirks Schwaben ist im Artenschutz aktiv.
Die "Nase" ist "Fisch des Jahres 2020"

Augsburg/Salgen (pm). Die Hochzeit der Nasen war ehemals ein großes Ereignis in den schwäbischen Gewässern. Bis aus der Donau kommend zogen riesige Schwärme bis zu 100 km stromaufwärts zu den Laichplätzen. Benedict von Schönau ─ Stifts-Capitular und Fischerherr von Kempten ─ schreibt im 18. Jahrhundert über den berühmten Nasenlaichplatz an der „Nasengrub“ an der Mündung der Leubas: „Alsdann fangt man selbe mit den Händen und Fischbeeren herauß und traget sie in den negsten an dem Bach gelegenen Kalter, allwo auch schon über 10000 bis 13000 solche Naasen gefangen worden.“ Später wurden die Nasen, wie aus dem Augsburger Lech, bis nach München zum Oktoberfest verbracht und als Steckerlfisch verkauft.

„Heute sucht man in den meisten schwäbischen Gewässern vergeb-lich nach dem einst massenhaft vorkommenden Schwarmfisch, bedauert Dr. Oliver Born, Fischereifachberater des Bezirks Schwa-ben, den Schwund. Dabei ist die Nase eine der typischen Zielfischar-ten des alpinen Flusses. Sie zählt zu den sogenannten Leitfischarten, die für die Feststellung des guten ökologischen Zustands der Gewäs-ser eine entscheidende Schlüsselfunktion innehat. Daher begrüßt Born es sehr, dass die Nase (Chondrostoma nasus) nun zum „Fisch des Jahres 2020“ gekürt wurde vom deutschen Angelfischerverband (DAFV), dem Bundesamt für Naturschutz (BfN) und dem Verband Deutscher Sporttaucher (VDST).

Typische Lebensräume fanden die Nasen in Donau, Lech, Iller und Wertach sowie in deren Nebengewässern. Die bedrohte Wander-fischart steht stellvertretend für die anderen Flussfische in der Äschen- und Barben-Region. Sie sind auf kiesigen Untergrund, strukturreiche Uferzonen und vor allem auf die biologische Durchgän-gigkeit im Haupt- und den Nebengewässern angewiesen. Für Bezirkstagspräsident Martin Sailer steht fest, dass „die Entwicklung und Verbesserung der heimischen Flüsse und Bäche sowie die Erhaltung der Fischartenvielfalt eine wesentliche Aufgabe unserer Fachberatung für Fischerei darstellt. Für den Bezirk Schwaben ist dieser Beitrag zum Erhalt der Biodiversität – angesichts der vergan-genen und zukünftigen Herausforderungen – ein wichtiges Ziel.“

Rote Liste: Wenige Tiergruppen so bedroht wie heimische Fischarten
Für die gefährdeten Fischarten ist viel zu tun. Nach dem Fischzu-standsbericht 2018 sind in 87 Prozent der bayerischen Gewässerstre-cken die Artenzusammensetzungen gestört. Der Bestand der Wanderfischart Nase wurde in 77 Prozent der Untersuchungsstrecken mit „mäßig“ oder gar „schlecht“ bewertet.
„In Schwaben kommt die Nase nur noch in kleinen und sehr instabilen Beständen vor“, erläutert Dr. Born: „Alles ist daran zu setzen, diese letzten Reliktpopulationen zu stärken.“ Der Bereich des Arten- und Gewässerschutzes ist daher ein Schwerpunkt der Tätigkeit im Fischereihof.
Der Bezirk Schwaben vermehrt in seinem Lehr- und Beispielbetrieb bedrohte, heimische Fischarten. Die erbrüteten Jungfische sind ein wesentlicher und unverzichtbarer Beitrag zur Bestandsstützung bedrohter Arten in den schwäbischen Gewässern, bis eine natürliche Vermehrung wieder stattfinden kann, beschreibt der Fachberater für das schwäbische Fischereiwesen die Praxis. Die Artenhilfsprogram-me werden gemeinsam mit dem Fischereiverband Schwaben, den schwäbischen Fischereigenossenschaften und -vereinen durchge-führt.

Ansprechpartner
Fachberatung für Fischerei/Schwäbischer Fischereihof Salgen
Leitung: Dr. Oliver Born
Mörgener Straße 50/ 87775 Salgen
Telefon: 08266 86265-11/Telefax: 08266 86265-10
fischereifachberatung@bezirk-schwaben.de

Weitere Informationen

Die Nase (Chondrostoma nasus) gehört zur Familie der Karpfenfische (Cyprinidae).
Mit dem Bau von Wehren und Staustufen im 20. Jahrhundert wurden die Laichzüge der Nasen jäh beendet. Die Hauptwanderachsen wurden unterbrochen. Auch die Bestände der anderen wandernden Fischarten - beispielsweise die des Huchens - brachen drastisch ein. Lediglich kleine und isolierte Restpopulationen der Nase konnten bis heute überdauern. Die genetische Vielfalt schwindet, nur wenige Exemplare pflanzen sich noch erfolgreich fort.
Nasen leben in Bodennähe in Gewässern der Äschen- und Barbenre-gion. Adulte Nasen lieben Gewässerabschnitte mit höheren Fließge-schwindigkeiten. Mit einer Körperlänge bis zu 50 cm, maximal 65 cm, sind die Elterntiere meist über 20 Jahre alt. Zur Laichzeit im Frühjahr (März bis Mai) zogen Nasen in großen Schwärmen in die Oberläufe der Flüsse. Dort wird der Laich an seichten, stark strömenden Stellen auf und in den Kiesbänken abgelegt. Die dann schlüpfenden Larven können kaum schwimmen und benötigen strömungsberuhigte Uferzonen und Altwasser. Dort finden die wenigen Millimeter großen Winzlinge kleinste Wassertierchen als Nahrung.
Die Wasserrahmenrichtlinie verfolgt einen umfassenden, integrativen Ansatz und hat das Ziel, bis zum Jahr 2027 den guten ökologischen Zustand zu erreichen. Als Leitbild und Referenz gilt die natürliche Vielfalt an Pflanzen und Tieren in Gewässern. Die Durchgängigkeit ist dabei eine zentrale Qualitätskomponente.

Untersucht und bewertet werden die Fischbestände durch die Fischereifachberatung des Bezirks Schwaben in Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Umwelt (LfU) und dem Institut für Fischerei der Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL).

Es gibt erste feststellbare Erfolge bei der Wiederherstellung der Durchwanderbarkeit. Neu angelegte Umgehungsbäche an den Staustufen werden als Laichplatz und als Wanderhilfe genutzt. Aber die natürliche Wiederbesiedelung kommt zu langsam voran. Daher wurden in den letzten Jahren z.B. Nasen, Nerflinge und Huchen aus dem Schwäbischen Fischereihof Salgen im Rahmen des Artenhilfs-programms im Bestand unterstützt. Gefördert werden die Fische aus der Fischereiabgabe im Artenhilfsprogramm des Fischereiverbandes Schwaben e. V. Erste Erfolge zeigten sich bei den Monitorings und vertieften Untersuchungen der Fischereifachberatung in einigen Gewässerabschnitten. Die Renaturierungen der Wasserwirtschafts-ämter Kempten und Donauwörth zeigen erste Wirkung.