Pionierprojekt im Bereich der mentalen Gesundheit im Nachwuchsleistungsfußball
Was der Fußballsport auslösen kann, hat die Weltmeisterschaft 2022 in Katar gezeigt: Hunderttausende Fans bejubelten den Triumph der argentinischen Nationalmannschaft um Lionel Messi. Einmal so spielen zu können wie er, einmal auf dem grünen Rasen der Münchner Allianz-Arena um Ball und Punkte kämpfen zu dürfen, wie es Thomas Müller und Joshua Kimmich regelmäßig tun, das ist der Traum eines jeden Fußballers/jeder Fußballerin. Erfolg hat aber auch mit einer großen Erwartungshaltung zu tun. Nicht jeder hält diesem Druck stand. Dem FC Bayern München ist es ein wichtiges Anliegen, auch seine Nachwuchsspielerinnen und -spieler in dieser Hinsicht bestmöglich zu unterstützen. Zur Sicherstellung der psychischen Gesundheit der jungen Aktiven hat der deutsche Rekordmeister mit den Bezirkskliniken Schwaben eine Kooperationsvereinbarung geschlossen.
Um die Talente bestmöglich auszubilden und auf den Leistungssport vorzubereiten, hat der Münchner Traditionsverein den FC-Bayern-Campus gegründet. Hier trainieren und spielen die Mannschaften U9 bis U19 sowie die Frauen- und Mädchen-Mannschaften des FCB. Für die Kicker ändert sich vieles im Alltag, was die Bereiche Wohnen, Bildung und Freizeit betrifft. Je nach Entwicklungs-, Leistungs- und Reifestand sowie des individuellen (psycho-) sozialen Umfelds kann es zu Beeinträchtigungen ihrer psychischen Gesundheit kommen. „Die mentale Gesundheit unserer Spielerinnen und Spieler ist uns ein wichtiges Anliegen, für das wir uns seit Jahren aktiv einsetzen. Wir möchten den jungen Sportlerinnen und Sportlern nicht nur eine erfolgreiche, sondern vor allem auch eine gesunde Entwicklung ermöglichen. Die nunmehr offizielle Kooperation mit den Bezirkskliniken Schwaben ist ein weiterer wichtiger Schritt in diese Richtung“, sagt Campus-Leiter Jochen Sauer.
Um eventuell auftretende Störungen der psychischen Gesundheit rechtzeitig zu erkennen und Schritte für jeweils notwendige Hilfen in die Wege zu leiten, hat der Verein mit den Bezirkskliniken Schwaben, vertreten durch den Vorstandsvorsitzenden Stefan Brunhuber, eine Kooperation geschlossen. Sie resultiert aus einer in den Vorjahren entstandenen, vertraglich nicht geregelten Zusammenarbeit, die verstetigt und intensiviert werden soll.
Die Vereinbarung sieht vor, dass die Bezirkskliniken, die für die psychiatrisch-psychotherapeutische Versorgung der Bevölkerung zuständig sind und zu diesem Zweck unter anderem das Bezirkskrankenhaus (BKH) Augsburg als Bestandteil der Universitätsmedizin Augsburg betreiben, qualifiziertes Fachpersonal wie Ärzte, Psychologen und Psychotherapeuten stellen. Sollte eine Spielerin oder ein Spieler eine Einschätzung wünschen, findet in der Regel innerhalb einer Woche ein Erstgespräch statt „In dieser Leistungssport-Clearing-Sprechstunde soll abgeklärt werden, ob eventuell die psychische Gesundheit des Betroffenen beeinträchtigt ist“, erläutert Dr. Astrid Röh vom BKH Augsburg. Sie leitet die Spezialambulanz „Sportpsychiatrie“ der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität Augsburg, in der auch der Leitende Psychotherapeut Benjamin Pross tätig ist.
Sollte sich aus dem Gespräch eine Behandlungsbedürftigkeit ergeben, kümmern sich die Bezirkskliniken um „kompetente und unkomplizierte Unterstützung bei der Vermittlung eines individuellen ambulanten oder stationären Behandlungsangebots“, wie es in der Vereinbarung heißt. „Wir fungieren quasi als Scharnier, um den jungen Sportlern schnell helfen zu können“, erläutert Dr. Röh.
Im Bedarfsfall findet jedes halbe Jahr ein Screening mit dem externen weiterbehandelnden medizinischen Fachpersonal statt. Die Bezirkskliniken verpflichten sich darüber hinaus, die Beschäftigten des Nachwuchsleistungszentrums im Hinblick auf Erkennen und Umgang mit psychischen Auffälligkeiten bei den Heranwachsenden zu schulen. Zudem steht das medizinische Fachpersonal bei der Erstellung von Kriseninterventionsplänen und fachspezifischen Leitfäden beratend zur Seite.
„Psychisches Wohlbefinden und körperliche Leistungsfähigkeit sind untrennbar miteinander verbunden. Es ist unser Bestreben, am FC Bayern Campus eine sichere Umgebung zu schaffen, in der junge Menschen sich auch in persönlich schwierigen Phasen stets unterstützt und begleitet fühlen – auch und gerade dann, wenn es um ihre mentale Gesundheit geht“, betont Jochen Sauer. Das große Ziel haben die Talente auf dem FC Bayern Campus jedenfalls fest vor Augen. Knapp drei Kilometer östlich des Campus sind die Umrisse der Allianz Arena deutlich zu erkennen. Ihr Traum, wie Thomas Müller oder Joshua Kimmich dort einmal einlaufen und Spiele bestreiten zu können, lebt weiter.