Sucht im Alter: Ein zunehmendes Problem auch in Pflegeheimen - Informationsveranstaltung des Gemeindepsychiatrischen Verbundes Günzburg/Neu-Ulm
400.000 Menschen im Alter von 60 Jahren an aufwärts in Deutschland sind alkoholabhängig, man vermutet, dass die Dunkelziffer dreimal so hoch ist. Und 1,5 bis zwei Millionen Deutsche in dieser Altersgruppe haben einen problematischen Gebrauch von Schlaf-, Beruhigungs- und Schmerzmitteln. „Allerdings wird bei älteren Menschen eine Abhängigkeitserkrankung oft nicht erkannt", so Doris Knak von der Suchtberatungsstelle des Diakonischen Werks Neu-Ulm bei einer Veranstaltung des Gemeindepsychiatrischen Verbundes (GPV) im Bezirkskrankenhaus Günzburg, „auftretende Symptome werden fälschlicherweise nur dem Alter zugeordnet."
Dabei sind - entgegen mancher Vorurteile - auch bei älteren Menschen die Erfolgsquoten von Entziehungs- und Entwöhnungsbehandlungen erfolgreich, „vor allem aber sind sie aus gesundheitlichen Aspekten heraus wichtig und verbessern die Lebensqualität der Betroffenen", so Susanne Hessel. Denn ältere suchtkranke Menschen seien erhöht anfällig für Infektionen. Suchtbedingte Müdigkeit und Schwindel führten zu körperlicher Schwäche, die Sturz- und Unfallgefahr steige. Zunehmend würden auch Menschen erst im Alter suchtkrank - der Eintritt in das Rentenalter, Einsamkeit, chronische Schmerzen, der Verlust von Angehörigen und Freunden, der Ursachen gibt es viele.
Wie man Betroffenen helfen kann, das soll beim Diakonischen Werk Neu-Ulm das Projekt „Sucht im Alter" beispielhaft zeigen. Nachdem die Thematik bereits vor mehr als zwei Jahren beim Gemeindepsychiatrischen Verbund (GPV) Günzburg/Neu-Ulm aufgegriffen und ein Bedarf an Information und Aufklärung festgestellt wurde, bewilligte der Bezirk Schwaben dafür eine halbe Stelle. Sie ist an die Suchtberatungsstelle des Diakonischen Werkes Neu-Ulm angedockt. Da ältere Menschen oftmals nicht mobil sind, ist die Arbeit „aufsuchend" ausgelegt, das heißt, die Betroffenen werden zuhause besucht und beraten. „Darüber hinaus stehen wir als Ansprechpartner aber auch für Angehörige als auch für Pflegende zur Verfügung, also auch für das Personal in Einrichtungen der Alten- und Pflegehilfe", so Susanne Hessel. In vielen Einrichtungen sei man sich unsicher, wie man mit suchtkranken Bewohnern umgehen solle, die Einstellung reiche von Nachsicht bis hin zu Ablehnung. „Oft wird das Problem erkannt, aber nicht interveniert", so Doris Knak, dabei sei es dringend notwendig, hier mehr zu tun - über 35 Prozent der Altenheimbewohner, so zitierte die Psychologin aus einer Statistik, nehmen länger als drei Jahre Benzodiazepine ein, also Tranquilizer, die hochgradig abhängig machen und nur kurzfristig eingesetzt werden sollten.