Vorstoß zur Gründung eines Lehrstuhls für Medizin für Menschen mit Behinderungen in Augsburg
„Das wäre ein in Deutschland einmaliges Leuchtturmprojekt“, sagte Peter Brechenmacher dem Bayerischen Rundfunk. Zudem verwies er auf die bestehende medizinische Infrastruktur im Regierungsbezirk Schwaben, die durch umfangreiche Kooperationen zwischen einzelnen Krankenhäusern und Praxen gewachsen sei. Ein Lehrstuhl könne diese Bemühungen bündeln und auf bestehendes Expertenwissen zurückgreifen. „Das Feld ist bereitet“, so Brechenmacher.
Der Facharzt für Nervenheilkunde verspricht sich von der Etablierung einer akademischen Struktur einen erheblichen Fortschritt für die Behandlung von Menschen mit Behinderungen. So könne eine intensive Forschung beispielsweise dabei helfen, die erheblichen Folgeerkrankungen bei Trisomie 21-Patienten besser zu verstehen und diese zu behandeln. Sein Haus sieht er im Zusammenspiel mehrerer Partner als wichtigen Bestandteil des neuen Lehrstuhls. Das Krankenhaus St. Camillus – knapp 40 Kilometer westlich von Augsburg gelegen – ist bundesweit eine der wenigen Kliniken und in Bayern die einzige, die auf die interdisziplinäre stationäre Versorgung von Menschen mit geistiger Behinderung spezialisiert ist.
Interdisziplinäre Forschung ist notwendig
In Deutschland gibt es bislang keinen Lehrstuhl für Behindertenmedizin. Lediglich einzelne Professoren an verschiedenen Universitäten widmen sich diesem Themengebiet aus verschiedenen fachlichen Richtungen. „Es gibt spezielle Fragenstellungen im Umgang mit Patienten mit komplexen Behinderungen. Herausfordernd ist vor allem ihre teilweise massiv eingeschränkte Kommunikationsfähigkeit. Das macht eine umfangreiche interdisziplinäre Zusammenarbeit nötig. Es sollten auch mehr spezialisierte Fort- und Weiterbildungsangebote für Ärzte entwickelt werden, die geistig behinderte Menschen behandeln", erklärte Brechenmacher. Eine Grundlage hierfür könne die Forschung eines Lehrstuhls legen, der zudem die bisherigen Erkenntnisse bündeln könne. „Der Lehrstuhl würde bereits auf umfangreiche Erfahrungen für diese Patientengruppe in Schwaben zurückgreifen können", so Brechenmacher.
Umfangreiche Kooperationen in Schwaben
Paradebeispiel dafür, wie verschiedene medizinische Disziplinen mit dem schwerstbehinderten Menschen im Mittelpunkt zusammenarbeiten, ist das Krankenhaus St. Camillus. Es liegt auf dem Campus des Dominikus-Ringeisen-Werks in Ursberg mit seiner Vielzahl an stationären Wohneinrichtungen für Menschen mit geistiger Behinderung. Geführt wird es als Zweckverband mit den Partnern Dominikus-Ringeisen-Werk und Bezirk Schwaben. Das kleine Haus mit insgesamt 28 Betten versorgt pro Jahr ca. 600 stationäre Patienten aus Ursberg, Süddeutschland und vereinzelt aus dem Bundesgebiet. Es verfügt über 18 stationäre Betten in der psychiatrischen sowie über weitere zehn auf der somatischen Station. Die psychiatrische Institutsambulanz versorgt ca. 3.000 Patienten in Nord- und Mittelschwaben. Sehr intensiv arbeitet St. Camillus mit der Kreisklinik Krumbach zusammen, wenn es um technische Untersuchungen wie beispielsweise Computertomografie oder Magen- und Darmspiegelungen geht. Eine weitere Kooperation besteht mit den Bezirkskliniken Schwaben in den Bereichen Notfallversorgung, EDV und Administration. Flankiert werden diese medizinischen Leistungen vom „Medizinischen Versorgungszentrum Ursberg" in Trägerschaft des Dominikus-Ringeisen-Werks und den im Haus liegenden Arztpraxen für Zahnheilkunde und Orthopädie. „Unser Standort bietet hervorragende Voraussetzungen für Ärzte in Aus- und Weiterbildung. Hiervon könnten einerseits die Forschung und andererseits die Praxis, also vor allem unsere Patienten profitieren", ist Peter Brechenmacher überzeugt.