Zum Abschied hat der Pflegedirektor noch einen großen Wunsch
Als Harald Keller vor 44 Jahren seine ersten Stunden als Ferienarbeiter am Bezirkskrankenhaus (BKH) Kaufbeuren absolviert hatte, wollte er am nächsten Tag nicht mehr hingehen. Zu tief beeindruckend, ja nahezu verstörend sei sein erster Eindruck gewesen, als er in zwei Wachsäle kam und dort 20 schwerstkranke Menschen vorfand. Der junge Mann zog es aber durch und arbeitete weiter. Mehr als vier Jahrzehnte, in denen sich in der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik ganz viel geändert hat, hielt er durch. 36 Jahre davon war er in Leitungsfunktionen tätig. Anfang Juli ist Keller, der 16 Jahre der Krankenhausleitung des BKH angehörte, in den Ruhestand verabschiedet worden.
Oberbürgermeister Stefan Bosse wollte persönlich dabei sein, um in Vertretung von Bezirkstagspräsident Martin Sailer den „Ur-Kaufbeurer“ Harald Keller zu verabschieden. Dazu verzichtete er im Rahmen seines 24-Stunden-Tages auf einen Termin in Erlangen anlässlich des 50. Jahrestages der Gebietsreform und kam stattdessen in den Festsaal des BKH. So ein Anlass wie die Verabschiedung eines verdienten Mitarbeiters löse zwiefältige Gefühle aus, sagte Bosse, der zugleich Mitglied im Verwaltungsrat der Bezirkskliniken Schwaben ist. „Einerseits Freude darüber, dass dieser Mann sich entscheidend in und für die Klinik eingesetzt hat und sich nun im Ruhestand neuen, spannenden Projekten widmen kann – frei nach dem Motto: Mit 66 Jahren fängt das Leben an.“ Andererseits, so der OB, löse der Abschied Kellers vom BKH Wehmut und tiefe Dankbarkeit aus, „weil die Klinik einen echten Macher verliert“. Er sei innerhalb und außerhalb der Klinik sehr gut vernetzt gewesen und habe sich unter anderem im Verband der Pflegedirektoren in Bayern engagiert. Seit 2018 war Keller zudem Sprecher des Nursing Boards der Bezirkskliniken.
Stefan Brunhuber, Vorstandsvorsitzender der Bezirkskliniken, dankte Keller für dessen berufliche Lebensleistung. Als dieser am 1. Februar 1978 seine Tätigkeit am BKH begann, da sei er noch gar nicht geboren gewesen, verriet Brunhuber. Wegen Corona, hohen Ausfallzeiten und dem allgemeinen Fachkräftemangel habe der scheidende Pflegedirektor „noch einen richtigen Endspurt hinlegen müssen“. „Was den Abschiedsschmerz ein wenig mildert ist die Tatsache, dass wir mit Andreas Gebler eine gute Nachfolgelösung gefunden haben. Wir sind uns sicher, dass es am BKH Kaufbeuren kontinuierlich weitergeht“, sagte der Vorstandsvorsitzende.
Der Leitende Ärztliche Direktor des Standortes, PD Dr. Albert Putzhammer, verliert nach eigenen Angaben einen „echten Freund“, „ein Goldstück“. Harald „Harry“ Keller sei stets menschlich, offen, ehrlich, kollegial, fair und humorvoll gewesen; er habe das Herz am rechten Fleck, stellte Dr. Putzhammer fest. 2006 sei er mit ihm gleichzeitig am BKH Kaufbeuren gestartet: Putzhammer übernahm die ärztliche Leitung, Keller die pflegerische. „Manchmal haben wir hart gerungen, aber immer in der Sache“, blickte der Chefarzt zurück. Besonders beeindruckt habe ihm Kellers Einsatz für die Patientinnen und Patienten. „Du bist ihnen menschlich stets ganz nah geblieben.“ Putzhammer dankte Kellers Frau Michaela „für 16 gemeinsame Jahre mit Deinem Mann“ und bezeichnete Gebler als „hervorragenden Nachfolger“.
Gebler steigt nun mit seinen 33 Jahren vom Pflegedienstleiter zum Pflegedirektor des zweitgrößten und zugleich ältesten Standortes der Bezirkskliniken auf. Er berichtete den Anwesenden im Festsaal, dass er bis zuletzt, sogar noch am Tag der Verabschiedung, mit seinem Nachfolger zusammengesessen sei, um wichtige Dinge zu besprechen. „Du warst für mich – und nicht nur für mich - Mentor und Freund. Du hast viele Menschen hier gefördert und unterstützt“, sagte Gebler zum Abschluss eines intensiven halben Jahres der Übergabezeit.
Die Schlussworte blieben dem scheidenden Pflegedirektor vorbehalten. Er dankte einer Vielzahl von engen Mitarbeitenden, Mitstreitern und Weggefährten. Im Rückblick auf seine ersten Erfahrungen am BKH vor 44 Jahren in den beiden Wachsälen sei ihm mit einem Kollegen sofort klar geworden: Hier muss sich an der Versorgung der Patienten etwas ändern! „Heute kann ich sagen: Man hat uns lassen, man hat uns etwas verändern lassen“, sagte Keller, der den „guten Geist“ im Haus lobte.
Rückblickend betrachtet habe er fast alles von dem, was er sich in seiner beruflichen Laufbahn vorgenommen hatte, umsetzen können - bis auf eine Sache: eine gemeinsame Krankenpflegeschule in Kaufbeuren. Denn auf dem Gelände des BKH befindet sich nicht nur die Berufsfachschule für Pflege der Bezirkskliniken, sondern ein Haus weiter auch die Krankenpflegschule des Klinikums. Er, Keller, habe die große Hoffnung, dass diese beiden Einrichtungen vereint werden können. „Das ist aus meiner Sicht für die Zukunft der beiden Krankenhäuser etwas ganz Elementares“, meinte der scheidende Pflegdirektor nachdrücklich.