Bedarfsermittlungsinstrument Bayern - BIBay
Das Bundesteilhabegesetz (BTHG) ist ein umfassendes Gesetzespaket, das in vier zeitversetzten Reformstufen bis 2023 in Kraft trat und das für Menschen mit Behinderungen viele Verbesserungen vorsieht. Mit dem BTHG wurden mehr Möglichkeiten der Teilhabe und mehr Selbstbestimmung für Menschen mit Behinderungen geschaffen, was zu Neuerungen im Bereich der Eingliederungshilfe führt.
Ein wichtiger Aspekt und zentraler Faktor ist die Bedarfsermittlung im Rahmen des Gesamtplanverfahrens. Zur Umsetzung des BTHG wurde das Bedarfsermittlungsinstrument Bayern (BIBay) entwickelt, welches der genauen Analyse des Bedarfs eines Menschen mit Behinderung dient und künftig den Sozialbericht und Arztbericht ablösen wird. Die Bedarfsermittlung mittels BIBay ist nach wie vor Teil des Gesamtplanverfahrens - am Ablauf des bisher bekannten Gesamtplanverfahrens ändert sich somit nichts! Beratung, Antrag, Bedarfsermittlung, ggf. Konferenz, Leistungsfeststellung, Gesamtplanerstellung, Bescheid und Folgeerhebung bleiben demnach gleich. Lediglich die Ermittlung und Feststellung des Bedarfs ist durch die Anwendung des BIBay von Veränderungen betroffen.
Das BIBay besteht aus drei Teilen:
Der Basisbogen enthält Angaben zur leistungsberechtigten Person. Das sind neben Grundinformationen wie Name, Geburtsdatum und Wohnort auch Angaben zum Pflegegrad, zur Schwerbehinderung, zur rechtlichen Betreuung sowie zu bisher in Anspruch genommenen Leistungen. Darüber hinaus ist dort vermerkt, wer die Person des Vertrauens ist, ob man Kommunikationsunterstützung braucht und welche Rahmenbedingungen für ein persönliches Gespräch förderlich wären (z.B. das Gespräch soll nicht zu Hause stattfinden).
Der Basisbogen wird in erster Linie von der leistungsberechtigten Person bzw. den rechtlichen Vertretern ausgefüllt. Unterstützen können dabei Beratungsstellen, SpDi, EUTB oder auch Leistungserbringer.
Der Basisbogen sollte zum Zeitpunkt der Beantragung der gewünschten Leistung vorliegen.
Die medizinische Stellungnahme umfasst etwa 14 Seiten und wird von geschulten (Fach-)Ärztinnen und Ärzten ausgefüllt. Die Einholung der medizinischen Stellungnahme beim betreuenden oder auch fremden (Fach-)Arzt liegt in der Verantwortung der leistungsberechtigten Person oder des rechtlichen Vertreters. Sie sollte ebenfalls zum Zeitpunkt der Antragstellung der gewünschten Leistung vorliegen.
Nur wenn Basisbogen und medizinische Stellungnahme beim Bezirk Schwaben vorliegen, kann die eigentliche Bedarfsermittlung durch den Sozialpädagogisch-Medizinischen Dienst (SMD) auf Grundlage dieser Daten und Befunde erfolgen.
Dieser Teil des BIBay erfasst die Ist-Situation (B) und die Wünsche und Ziele (C) der leistungsberechtigten Person in den schon bekannten fünf Lebensbereichen
- Wohnen,
- Arbeiten,
- Freizeit,
- soziale Beziehungen und Sonstiges (vorher: Gesundheit) sowie
- die alltagsrelevanten Beeinträchtigungen der Aktivitäten und Teilhabe (D).
Punkt D beinhaltet neun Unterkategorien, die an die Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) angelehnt sind. Hierunter fallen:
- Lernen und Wissensanwendung
- Allgemeine Aufgaben und Anforderungen
- Kommunikation
- Mobilität
- Selbstversorgung
- Häusliches Leben
- Interpersonelle Interaktionen und Beziehungen
- Bedeutende Lebensbereiche
- Gemeinschafts-, soziales und staatsbürgerliches Leben
Diese Bereiche werden nach den ICF-Codes klassifiziert und nach dem Grad der Beeinträchtigung eingestuft. Diese Einstufung hat nichts mit der Quantität der beantragten Leistung zu tun, sie dient lediglich dem SMD zur Orientierung.
Im Punkt E werden Umweltfaktoren erhoben. Hier werden mögliche Förderfaktoren und Barrieren der leistungsberechtigten Person festgehalten. Die Personenbezogenen Faktoren (F) können am Ende des 3. Teils beschrieben werden.
Die Maßnahme-Einschätzung findet man im Teil G des BIBay. Hierbei geht es um die gemeinsame Vereinbarung von Teilhabezielen in den Lebensbereichen und darum, welche Maßnahme die leistungsberechtigte Person benötigt, um ihre Ziele zu erreichen. Die Darstellung erfolgt in Form einer Matrix.
Im letzten Teil des BIBay - den Sonstigen Angaben (H) - finden sich die Einschätzung über die notwendige Dauer der Maßnahme, die Anmerkungen der rechtlichen Betreuerin/des rechtlichen Betreuers oder der Vertrauensperson, die Namen derjenigen, die an der Bedarfsermittlung beteiligt waren und die Feststellung, ob eine Teilhabe- bzw. Gesamtplankonferenz notwendig ist.
Das Bedarfsermittlungsgespräch
Für die Bedarfserhebung mittels BIBay ist der Sozialpädagogisch-Medizinische Dienst (SMD) verantwortlich. Hierzu werden in der Regel die leistungsberechtigte Person, die Vertrauensperson (im Basisbogen angegeben) und eine Mitarbeiterin bzw. ein Mitarbeiter des SMD ein Gespräch vor Ort führen.
Damit die Leistungsberechtigten vorab wissen, was der SMD mit ihnen besprechen möchte und sie sich in Ruhe dazu Gedanken machen können, wird ihnen ein Vorbereitungsbogen zugesandt. Alternativ steht auch ein Fragebogen in Leichter Sprache zur Verfügung. Sie können dann gemeinsam mit ihren Freunden, Angehörigen oder Mitarbeitenden des Leistungserbringers Ideen sammeln und den Bogen ausfüllen, damit beim Bedarfsermittlungsgespräch alle Wünsche und Vorstellungen thematisiert werden und nichts vergessen wird.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Am Antrags- und Bedarfsermittlungsverfahren ändert sich ab dem 01.01.2023 nichts. Das heißt: Leistungen der Eingliederungshilfe werden nur auf Antrag erbracht, sofern bisher noch keine Eingliederungshilfeleistungen bezogen wurden oder der Bedarf bisher nicht bekannt bzw. erkennbar war (§ 108 SGB IX).
Die Antragstellung als solche wird ablaufen wie bisher. Falls eine Beratungsstelle bei der Antragstellung unterstützt, kann der Basisbogen des BIBay zusammen mit der Beratungsstelle ausgefüllt werden.
Stellt die leistungsberechtigte Person den Antrag selbst, erhält sie den Basisbogen - soweit möglich bereits ausgefüllt - mit der Bitte um Ergänzung. Außerdem werden in einem Begleitschreiben die notwendigen weiteren Schritte erläutert.
Die leistungsberechtigte Person kann sich auch an einen Leistungserbringer wenden, um den Antrag mit diesem auszufüllen. Eine gesonderte Vergütung für diese Hilfestellung ist nicht vorgesehen.
Die generelle Einführung des neuen Bedarfsermittlungsinstruments erfolgt mit Abschluss des Bayerischen Rahmenvertrages nach § 131 SGB IX, der Verabschiedung eines gemeinsamen Implementierungskonzepts und dem Vorliegen diverser Voraussetzungen (z. B. Freigabe aller Manuale des Gesamtplanverfahrens - BIBay, Berichtswesen, Gesamtplan).
Der neue Bayerische Rahmenvertrag sowie die Rahmenleistungsvereinbarung WfbM (RLV WfbM) wurden zum 01.07.2023 unterschrieben. Das Implementierungskonzept sieht aktuell folgendes Vorgehen vor:
- BIBay kommt seit dem 01.01.2024 im Rahmen des Modell-Projekts WfbM (resultierend aus der RLV WfbM) in den teilnehmenden Modell-Werkstätten in Bayern zur Anwendung. Dies betrifft die Übertritte vom Berufsbildungsbereich in den Arbeitsbereich sowie die Ermittlung der Mehrbedarfe. Ergänzend dazu kommt BIBay in allen weiteren schwäbischen WfbM ebenfalls bei der Ermittlung des Bedarfs beim Übertritt vom Berufsbildungsbereich in den Arbeitsbereich seit dem 01.01.2024 zum Einsatz.
- Des Weiteren kommt BIBay in Schwaben seit dem 01.03.2024 beim schwäbischen Modell-Projekt Aufsuchende Assistenz zur Anwendung.
- Schließlich ist BIBay auf ausdrücklichen Wunsch der antragstellenden/leistungsberechtigten Person durch den Bezirk bei der Bedarfsermittlung heranzuziehen.
Alle weiteren aktuellen Informationen zum Gesamtplanverfahren und zum neuen Bedarfsermittlungsinstrument BIBay werden auf der Homepage des Bayerischen Bezirketags veröffentlicht und dort stets aktualisiert.
Die leistungsberechtigte Person erhält mit dem Leistungsbescheid einen Gesamtplan. Dieser greift die definierten Ziele auf und beschreibt die Maßnahmen zur Zielerreichung. Der Gesamtplan ist durch den Bezirk nach spätestens zwei Jahren zu überprüfen und fortzuschreiben auf der Grundlage des Berichts des Leistungserbringers.
Die Überprüfung der Zielerreichung durch den Bezirk erfolgt entweder anhand des Berichts oder bei Bedarf auch in einem persönlichen Gespräch mit dem Fachdienst des Bezirks (SMD).
Wie bisher erfolgen Vorleistungen zu einem gewissen Grad auf eigenes Risiko des Leistungserbringers. Er sollte auf eine früh- bzw. rechtzeitige Antragstellung hinwirken (§ 108 SGB IX). Die Antragstellung kann maximal auf den Monatsanfang zurückwirken.
Der Antrag auf Leistungen nach dem SGB IX bedarf keiner besonderen Form. Auch ein formloser oder mündlich zu Protokoll gegebener Antrag ist ausreichend.
Beim Berichtswesen gibt es folgende Änderung: Die bisherigen HEB-Bögen (A, B und C) sowie die Berichtsbögen WfbM und Förderstätte werden durch ein einheitliches Berichts-Manual abgelöst. Dieses ist an den Aufbau des BIBay angelehnt und kann auf der Homepage des Bayerischen Bezirketags eingesehen werden. Eine Ausfüllhilfe für die Anwender*innen befindet sich derzeit noch in Erarbeitung.
Arbeitsgruppen auf bayerischer Ebene erarbeiten derzeit Schulungsmodule für verschiedene Adressatenkreise. Diese sind noch nicht final fertiggestellt. Aufgrund der zwangsläufig noch fehlenden Hintergrundinformationen ist es fraglich, ob eine Schulung durch Drittanbieter sinnvoll ist.
Der Leistungsbescheid wird aufgehoben und es wird ein neuer Leistungsbescheid mit Bezeichnung des neuen Leistungserbringers erlassen. Sofern dies notwendig ist, findet eine neue Bedarfsermittlung durch den SMD statt.
Bei Fragen zur Finanzierung von Leistungen wenden Sie sich bitte an die Kolleginnen und Kollegen der Entgelt-Angelegenheiten.
Weitere Informationen finden Sie auf diesen Internetseiten: